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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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der ein winziges Boot erfasst.
     
    Chris erwachte im Dunkeln vom Summen seines Mobiltelefons. Er blinzelte mehrmals mit brennenden, trockenen Augen; dann drehte er sich nach rechts. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen fiel künstliches Licht ins Zimmer. Im schwachen rosafarbenen Schimmer sah er Alex auf dem anderen Bett liegen. Sie schlief ebenfalls. Sie trug ein Hemd, aber keine Hosen. Er tastete auf dem Nachttisch herum, bis er das Telefon gefunden hatte.
    »Hallo?«, fragte er. Sein Mund schmeckte sauer von Erbrochenem.
    »Chris!« Eine aufgeregte Frauenstimme.
    »Mrs. Johnson?«
    »Ich bin es! Thora! Wo steckst du?«
    »Ah … Jackson.«
    »Jackson! Du hast Ben bei Mrs. Johnson gelassen, und sie hat keine Ahnung, wo du bist!«
    »Das stimmt nicht. Sie wusste, dass ich vielleicht aus der Stadt sein würde.«
    »Sie hat mir gesagt, eine Frau namens Alex hätte sie wegen Ben angerufen. Wer ist diese Alex?«
    Chris setzte sich vorsichtig auf; dann erhob er sich aus dem Bett und ging ins angrenzende Wohnzimmer. »Hör zu … ich musste nach Jackson, um einen Patienten in der Universitätsklinik zu besuchen. Es gibt überhaupt keine Grund zur Aufregung. Wo bist du?«
    »In Greenwood, genau wie ich dir gesagt habe. Was dachtest du denn?« Thoras Stimme hatte nichts von ihrer Hysterie verloren.
    Er biss die Zähne zusammen und schwieg.
    »Chris? Bist du noch da?«
    »M-hm.«
    »Was hat das zu bedeuten? Was geht da vor?«
    Er stand in der Ecke des dunklen Zimmers, und sein Hals war rau vom wiederholten Erbrechen. Sein Arm war fast zu schwach, das Telefon zu halten, und er kämpfte um seine Beherrschung, um Thora nicht aus den tiefsten Tiefen seiner Seele anzuschreien. Er dachte an Alex, die ihn gebeten hatte, Thora nicht zur Rede zu stellen, doch die Wahrheit war, die verdammte Ermittlung scherte ihn einen Dreck. Er konnte Thora nie wieder in die Augen sehen und so tun, als wäre alles in Ordnung.
    »Antworte mir!«, schrie sie ihn durch den Hörer an. »Bist du betrunken oder was?«
    »Du bist also in Greenwood?«
    »Natürlich! Was dachtest du denn?«
    »Und was ist mit Shane Lansing? Ist er auch in Greenwood?«
    Plötzlich herrschte nur noch Schweigen am anderen Ende der Leitung.
    »Sprich mit mir – ist er bei dir? An meiner Stelle?«
    »Was redest du denn da, Chris?«
    »Hör auf damit, Thora, okay?«
    »Warte … ich weiß nicht, was du zu wissen glaubst, aber du weißt nicht … ich meine, du kannst nicht …«Ihre schrille Stimme brach erneut ab.
    »Ich sage dir, was ich weiß«, erwiderte er mit ruhiger Bestimmtheit. »Ich weiß, dass du am Morgen, nachdem wir in meinem Studio miteinander geschlafen haben, die Pille danach eingenommen hast.«
    Er hörte ein Ächzen, dann das Geräusch eines Daumens, der auf die Mikrofonöffnung des Telefons gedrückt wurde.
    »Außerdem habe ich einen hübschen Schnappschuss von Shane, wie er es dir auf dem Balkon des Hotels von hinten besorgt. Du bist seine … hm, warte … zehnte Eroberung dieses Jahr?«
    Er hörte einen unterdrückten Aufschrei, gefolgt vom Grunzen eines Mannes.
    »Ist er gerade bei dir?«, fragte Chris und wankte, als er einen plötzlichen Schwindelanfall erlitt. »Oder ist er nach Hause geflogen, um mit Frau und Kindern zu Abend zu essen? Was hat er für die Flüge auf den Tisch gelegt, um deinen hässlichen Hintern zu vögeln? Ich schätze, du fühlst dich, als wärst du was Besonderes, stimmt’s?«
    Keine Antwort.
    »Wenn er bei dir ist, gib ihn mir.«
    »Chris …« Thoras Stimme war kleinlaut, beinahe verzweifelt. »Ich bin allein. Es ist niemand hier außer mir.«
    »Ich glaube dir nicht. Ich weiß, was du getan hast, okay? Und vielleicht bin ich in einem Jahr tot. Aber du … du und Lansing, ihr seid ebenfalls tot. Spirituell tot. Du weißt wahrscheinlich nicht mal, wovon ich rede … eines Tages wirst du es merken. Du wirst ins Gefängnis gehen. Und sag diesem Arschloch, dass er mir noch einmal unter die Augen kommen soll, ehe es vorbei ist. Nur ein einziges Mal.«
    Sie schluchzte jetzt.
    »Wie konntest du Ben so etwas antun, Thora? Vergiss mich, ich bin nicht so wichtig. Aber der Junge hat sich wunderbar entwickelt … Mein Gott! Willst du ihn etwa zu genau dem gleichen seelischen Krüppel machen, wie du einer bist?«
    Thora kreischte wie eine Frau, die sich vor Trauer und Schmerz das Fleisch von den Knochen reißt.
    Chris legte auf und stand zitternd in der Dunkelheit. Er war nicht mehr allein. Alex stand in der Tür zwischen Wohn-und

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