Leises Gift
fragte die Sprechstundenhilfe.
»Das hoffe ich. Ich habe eben in der Universitätsklinik mit Dr. Tarver gesprochen. Er hat mir eine Frage gestellt, die ich ihm nicht gleich beantworten konnte, aber ich habe recherchiert und eine Antwort gefunden. Ich wollte sie ihm persönlich überbringen.«
Die Sprechstundenhilfe musterte Alex von oben bis unten. Gut gekleidete weiße Frauen gehörten eindeutig nicht zu den üblichen Besuchern dieser Praxis.
»Wie heißen Sie?«, fragte die Frau schließlich.
»Alexandra Morse.«
»Nun, Mrs. Morse, der Doktor ist nicht da. Wenn Sie hier warten wollen – ich gehe nach hinten und frage jemanden. Vielleicht kommt er bald wieder ins Haus.«
»Danke. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.«
Die Sprechstundenhilfe erhob sich, als würde sie Alex einen riesigen Gefallen tun, und ging langsam den Korridor hinunter. Alex trat dichter an den Schreibtisch heran und las alles, was auf der Tischplatte lag und was sie lesen konnte. Es gab Rechnungen an die Adresse der Tarver Free Clinic und eine an Eldon Tarver, MD.
Ein halb verdecktes Magazin lag aufgeschlagen unter dem Terminkalender. Jet. Auf einem linierten Block standen in einer nahezu unleserlichen Schrift die Worte: Entergy Rechnung verspätet – Noel D. Traver, DVM. Darunter eine Nummer: 09365974. Alex versuchte sich die Nummer einzuprägen, als die Sprechstundenhilfe zurückkehrte.
»Er kommt heute nicht mehr herein«, sagte sie, wobei sie Alex mit einem territorialen Blick bedachte.
»Überhaupt nicht mehr?«
»Das habe ich doch gerade gesagt.«
Die Sprechstundenhilfe setzte sich und las in ihrem Magazin, als hätte sie ihre Pflicht getan und die Absicht, Alex’ Anwesenheit nicht länger zur Kenntnis zu nehmen. Alex wollte sie bitten, eine Nachricht zu hinterlassen, überlegte es sich dann aber anders.
Als sie sich zum Gehen wandte, wäre sie fast mit einem Mann zusammengestoßen, der in einem 2000-Dollar-Geschäftsanzug steckte, wie es aussah.
»Oh, entschuldigen Sie«, sagte sie.
Der Neuankömmling besaß kurz geschnittene graue Haare und stahlblaue Augen. Sein Gesicht löste irgendetwas in ihrem Bewusstsein aus, doch sie vermochte ihn nicht einzuordnen. Der Fremde erinnerte sie an einen jener höheren Agenten, die zum FBI gekommen waren, nachdem sie die Spionageabwehr oder den Militärgeheimdienst verlassen hatten.
»Kein Problem, Miss«, sagte der Mann mit kaum merklichem Lächeln.
Er machte einen Schritt zur Seite, um Platz zu machen. Alex ging an ihm vorbei – trotz ihres brennenden Verlangens, ihn zu fragen, was ein Typ wie er in einem Laden wie diesem zu suchen hatte. Vielleicht hatte er geglaubt, dass es noch immer ein Restaurant war. In seiner besten Zeit hatte das Pullo’s einige sehr reiche Kunden angezogen, die zum Frühstücken hierhergekommen waren.
Draußen wandte Alex sich um und sah, wie der Fremde sich mit der Sprechstundenhilfe unterhielt. Er schien genauso wenig Glück zu haben wie sie selbst. Sie suchte die Straße nach Will ab und passierte auf dem Weg zu seinem Ford Explorer eine dunkle Limousine, die vor der Praxis parkte. Sie stieg auf den Beifahrersitz. Eine Sekunde später erschien Will und kletterte hinter das Steuer.
»Und? Hast du was erreicht?«, fragte er.
»Rein gar nichts.«
Er nickte. »Hast du den Kerl gesehen, der kurz nach dir in den Laden gegangen ist?«
»Ja. Kennst du ihn?«
»Ich kenne diesen Typ. Er ist ein Söldner.«
»Das gleiche Gefühl hatte ich auch.«
»Gutes Mädchen. Hier, sieh dir das an.« Will lenkte den Explorer auf die Straße, doch er fuhr noch nicht los. Stattdessen nickte er unauffällig nach links. Alex folgte der angezeigten Richtung und bemerkte einen jungen Mann in einer Army-Uniform hinter dem Lenkrad der Limousine, an der sie soeben vorbeigegangen war. Sie sah Sergeantstreifen auf seinen Schultern. Dann waren sie an der Limousine vorbei.
»Er hat den anderen Kerl hergebracht?«
»Ja. Hast du die Tür gesehen?«
»Die Wagentür?«
» U.S. GOVERNMENT . In schwarzen Druckbuchstaben.«
»Was hat das zu bedeuten?«
Will fuhr den Block hinunter und zu der Stelle, wo Alex ihren Corolla geparkt hatte. »Die beiden kommen so sicher wie das Amen in der Kirche nicht von der Steuerfahndung.«
»Sondern?«
Will grinste. »Ich habe das gleiche Gefühl wie das, wovon du eben geredet hast.«
Alex dachte an die unbezahlte Stromrechnung, die sie auf dem Tisch gesehen hatte. »Hast du schon mal von einem Noel Traver gehört? Ein Tierarzt.«
»Kann ich
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