Leises Gift
von Thoras Ohr durch ihren Schädel und versank so tief, dass Andrew ihn förmlich herausreißen musste. Sie taumelte; dann ging sie zu Boden, während sie blind versuchte, ihr Gesicht abzuschirmen. Rusk schwang den Hammer mit all der Angst, die sich in ihm aufgestaut hatte. Dieses verzogene Miststück bedrohte alles, was er sich in fünf Jahren aufgebaut hatte … doch war er zurückgewichen und hatte um Hilfe gerufen? Nein. Er war selbst in die verdammte Arena gestiegen. Nie wieder würde Eldon Tarver ihn als feigen Mittelsmann sehen, der Angst hatte, sich die Finger dreckig zu machen.
Rusk hielt inne und stand über dem blutigen Leichnam. Sein Atem ging schwer, so wie an jenem ersten Tag im Basislager am Mount Everest. Nie zuvor hatte er eine solch elementare Macht verspürt. Er wünschte nur, sein Vater könnte ihn so sehen.
Will erwartete Alex bereits, als sie im Park hinter dem Governor’s Mansion eintraf. Sie stieg aus ihrem Corolla, schloss die Tür ab und nahm auf dem Beifahrersitz von Wills Ford Explorer Platz.
»Was hat es mit dieser Praxis auf sich?«, fragte Will.
»Sie gehört einem Arzt von der Uniklinik, einem gewissen Eldon Tarver. Ich bekam ein merkwürdiges Gefühl, als ich mit ihm geredet habe.«
Will kniff die Augen zusammen. »Was für ein Gefühl?«
»Du weißt, was ich meine.«
»Ich glaub schon.«
»Tarvers Frau ist vor Jahren an Krebs gestorben, und er hat eine Menge Geld geerbt. Er hat diese Praxis im Gedenken an sie eröffnet. Er behandelt arme Menschen, die an Aids, Herpes und ähnlichen Krankheiten leiden. Aber ich denke, dass vielleicht noch mehr dahintersteckt. Tarver ist Spezialist für Krebserkrankungen, und das wäre eine perfekte Tarnung für ihn. Er könnte diesen Patienten jede beliebige Art von Virus oder Toxin geben und die Entwicklung verfolgen, wenn sie zu ihm kommen, um sich ihre Gratis-Medikamente abzuholen.«
»Ein Freak also.«
»Vielleicht.« Alex biss sich auf die Unterlippe. »Oder er ist tatsächlich ein barmherziger Samariter.«
Will lachte spöttisch auf. »Ich bin im Leben kaum einem begegnet. Sie mögen wie Engel aussehen, aber in der Regel ziehen sie einen Vorteil aus dem, was sie tun – auf die eine oder andere Weise.«
»Was wir bald herausfinden werden, wie ich hoffe. Komm, fahren wir hin.«
Will setzte den Explorer in Bewegung. »Ich wüsste zu gerne, was für einen Wagen er fährt.«
»Das müsste John Kaiser uns bald sagen können. Ich habe ihn bereits auf Tarver angesetzt.«
»Ich würde ihn gerne selbst überprüfen, sicherheitshalber. Nichts gegen das FBI, versteh das nicht falsch. Kannst du den Namen buchstabieren?«
Alex buchstabierte.
»Okay«, sagte Will und kritzelte in das kleine Notizbuch, das er stets bei sich trug. »Wo ist eigentlich Dr. Shepard?«
»Auf dem Zimmer im Cabot Lodge.«
Kilmers Augen stellten eine stumme Frage.
Alex legte dem alten Detektiv eine Hand auf den Arm. »Er ist krank, Will. Sehr krank. Aber das ist nicht deine Schuld, okay?«
»Scheiße, von wegen! Verdammte Scheiße! Ich bin auf meinem Posten eingeschlafen! Früher wurden wir dafür erschossen!«
»Du wurdest betäubt. Ihr alle drei. Jetzt hör endlich auf, dir Vorwürfe zu machen, und konzentrier dich auf unser Spiel. Ich brauche dich.«
Will rieb sich mit beiden Händen das runzlige Gesicht und stieß einen Seufzer aus. »Nimmst du deine Kanone mit rein?«
Sie schüttelte den Kopf. »Diesmal noch nicht.«
»Scheiße.« Er griff ins Handschuhfach und brachte eine kurzläufige ‚357er Magnum zum Vorschein. »Dann bleib ich besser ganz in deiner Nähe.«
Das umgebaute ehemalige Restaurant besaß nur noch wenig von seiner früheren Persönlichkeit. Die einzigen Dinge, die Alex wiedererkannte, waren ein paar merkwürdig geformte Leuchten über der Stelle, an der das alte Büfett gestanden hatte. Abgesehen davon war das Gebäude offensichtlich leergeräumt worden.
Unmittelbar hinter der Tür saß eine Sprechstundenhilfe. Ihre kaffeebraunen Ellbogen ruhten auf einer verschrammten Metallplatte. Zu ihrer Rechten befand sich eine große Gruppe von Stühlen. Mehrere waren besetzt von Männern, die nach Alkohol, Zigaretten und ungewaschenen Körpern rochen. Ein schmaler Korridor führte tiefer ins Innere des Gebäudes, doch er ließ nichts erkennen. In der Rückwand des Wartebereichs befand sich ein Milchglasfenster. Alex hatte den Eindruck, dass es benutzt wurde, um die Patienten unauffällig zu studieren.
»Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«,
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