Leises Gift
Ben jemals wiedersehen würde, wäre die nächste Frau, die Chris heiratet.«
Sie starrte ihn mit wilden Blicken an. Offensichtlich schwankte sie zwischen der durchaus realen Angst, ihre Sünden könnten aufgedeckt werden, und der theoretischen Angst, selbst getötet zu werden.
»Wenn Sie mich anschauen …«, sagte Rusk eindringlich, »dann versuchen Sie nicht mich zu sehen, sondern ihn. Tun Sie das, und vielleicht überstehen Sie diese Geschichte unbeschadet.«
Thoras Augen zuckten hin und her wie die einer Süchtigen auf Entzug. Nach einer Weile beruhigte sie sich ein wenig und begann zu blinzeln, als würde sie sich von einem Anfall erholen. »Was soll ich denn tun?«, jammerte sie. »Wohin kann ich gehen?«
»Sie können für den Augenblick in meinem Büro bleiben. Aber Sie dürfen innerhalb der Bürowände kein Wort über diese Geschichte verlieren! Mein Büro ist möglicherweise verwanzt. Verstoßen Sie gegen diese Regel, und ich übergebe Sie an meinen Partner. Haben Sie verstanden?«
Thora wischte sich über die mit Maskara verschmierten Wangen. »Ich will nicht hierbleiben. Ich will meinen Sohn sehen.«
»Können Sie aber nicht. Nicht jetzt.«
»Blödsinn! Ich habe gegen kein Gesetz verstoßen!«
Rusk starrte sie erstaunt an. »Sie haben jemanden bezahlt, der Ihren Ehemann töten sollte! Zweimal sogar!«
Thora lachte wie ein Kind, das herausfand, wie eine Lüge ihm bei den Eltern oder Lehrern aus der Patsche half. »Ich habe einen Scheidungsanwalt aufgesucht. Niemand kann beweisen, dass ich etwas anderes getan habe.«
»Sie haben mir bereits eine Million Dollar gezahlt!«
Kalte Arroganz senkte sich wie ein Vorhang über ihre Augen. »Ich habe eine Investitionsempfehlung befolgt, die Sie mir gegeben haben. Damit waren eine Million Dollar unter Ihrer Kontrolle. Wenn jemand sich diesen Deal anschaut, wird es aussehen, als hätten Sie das Geld gestohlen. Als hätten Sie es unterschlagen und Rohdiamanten davon gekauft.«
Rusk hatte es die Sprache verschlagen.
»Sie sind nicht besser als jeder andere verdammte Unternehmer, mit dem ich zu tun habe, Andrew. Es fällt Ihnen leicht, eine Garantie auf Ihre Arbeit zu geben. Aber es fällt Ihnen schwer, diese Garantie im Falle eines Falles einzuhalten.«
Er blickte an ihr vorbei, um sich zu überzeugen, dass der Pferdeschwanz noch nicht wieder zurückgekehrt war. Wenn jemand diese Unterhaltung mitgehört hatte …
»Und jetzt«, fuhr Thora mit gefasster Stimme fort, »werde ich nach unten fahren und mein altes Leben weiterführen. Sie werden dafür sorgen, dass meinem Mann nichts geschieht. Falls ihm doch etwas zustößt – oder wenn auch nur ein einziger Polizist an meiner Tür läutet –, hänge ich Ihren Arsch zum Trocknen ins Freie, Andrew. Kapiert?«
Rusks Verstand raste. Diese Frau hatte nicht den leisesten Schimmer, was die gegenwärtige Situation anging. Es gab keinen Weg zurück in ein altes Leben – weder für sie noch für irgendjemanden sonst. Thora Shepard war eine von jenen Schönheiten, die durch das Leben geschlittert waren, ohne dass Schmutz an ihnen haften geblieben wäre. Sie war überzeugt, dass sie jetzt genauso weitermachen konnte. Früher oder später jedoch – eher früher angesichts der zunehmenden Überwachung durch das FBI – würde jemand Thora Shepard in eine kleine Zelle sperren und die Temperatur hochdrehen. Sie würde zerbrechen wie ein Porzellanpüppchen.
»Sehen Sie die Männer da unten?«, fragte Rusk und stieg über die Werkzeugkiste, die der Pferdeschwanz stehen gelassen hatte.
»Wo?«
»Da, an der Straßenecke. Und auf den Stufen auf der anderen Straßenseite. Sehen Sie ihn?«
Thora legte die Hände gegen die Scheibe und starrte angestrengt nach unten. »Meinen Sie den Mann, der die Zeitung liest?«
»Genau. FBI. Die Frau ebenfalls. Die Joggerin.«
Thoras Unterkiefer sank herab. »Woher wissen Sie das?«
Rusk blickte über die Schulter und zwischen den Metallstreben der leergeräumten Etage hindurch. »Ich habe Kontakte zum FBI.«
»Aber warum sind diese Leute hier? Wie viel wissen sie?«
»Das weiß ich noch nicht. Sehen Sie noch weitere mögliche Agenten?«
Als Thora sich auf die Zehenspitzen stellte und angestrengt hinunterstarrte, bückte sich Rusk und nahm einen Klauenhammer aus der Werkzeugkiste zu seinen Füßen. Irgendetwas verrutschte in der Kiste, als er sich wieder aufrichtete. Thora drehte sich nach dem Geräusch um, doch Andrew hatte bereits weit ausgeholt. Der Hammerkopf krachte oberhalb
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