Leitfaden China
1992).
Die Herausforderungen werden sofort deutlich, wenn die chinesische Vorgehensweise angesehen wird, die in westlichen Augen oft ohne Planung erfolgt. Die Einschätzung einer Situation wird von einer chinesischen Führungsperson sehr viel intuitiver vorgenommen als von einem westlichen Entsandten. Der Entscheidungsprozess geht sehr viel stärker auf Rückmeldungen ein und gleicht oft einem trial and error Prozess und kaum einer westlichen Projektplanung. Die Zielerreichung orientiert sich dabei relativ wenig an der aktuellen Wirtschaftslage. Es ist völlig offen, wie das Ziel letztlich erreicht werden kann. Unabhängige, strategische Sichten sind denn auch in einem chinesischen Unternehmen stark gefordert. Wenn die Sichten des Unternehmers überzeugen und die Rückmeldungen aus der aktuellen Entwicklung stimmen, dann arbeiten alle für ein gemeinsames Ziel, auch wenn dies erst in den Umrissen erkannt wird und kaum klar ist, mit welchen Mitteln es definitiv erreicht werden kann.
In ähnlicher Weise wurde sowohl von ausländischen wie chinesischen Führungskräften erwähnt, dass sich chinesische Untergebene relativ schnell mit einer gefundenen Lösung zufrieden geben und keine anderen Lösungsmöglichkeiten mehr suchen. Die Frage der Effizienz oder Effektivität einer gefundenen Lösung wird nicht gestellt, die gefundene Lösung wird nicht mit anderen Möglichkeiten verglichen. Hier dürfte wiederum das andere Denken den Hintergrund bilden, denn konkret-pragmatische Sichten sind weniger mit alternativem Denken verbunden. Das Überprüfen von Lösungen bleibt deshalb Aufgabe der Führungsperson und gehört ebenfalls in den strategischen Problemkreis.
Die Führungskraft muss die nötige Distanz zum gestellten Problem haben, um es als solches zu überblicken, umfassend zu verstehen und eine effektive Lösung zu finden. Gleichzeitig muss sie diese Sicht aber mit der Nähe zum Problem kombinieren, um Lösungen zu finden, die effizient sind. Wiederum geht es, wie im Falle der Bewältigung täglicher Aufgaben, um eine Kombination von Nähe und Distanz, von gleichzeitigem operationellem und strategischem Denken, um die optimalen Lösungsmöglichkeiten zu bestimmen.
3. Zusammenfassende Bemerkungen
Aus der Umfrage wird deutlich, dass chinesische Führungskräfte sehr pragmatische Handlungsmuster vertreten. «Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder gelb ist, so lange sie Mäuse fängt», hat Deng Xiaoping (1983) schon früh in einer seiner Reden gesagt. Die Führungsperson wählt ihren Stil je nach den Forderungen einer bestimmten Situation. Mit dem Aufkommen der Marktwirtschaft begannen sich chinesische Manager mehr und mehr für westliche Managementtheorien zu interessieren. Die Anwendung dieser Theorien auf das tägliche Handeln folgt aber sehr pragmatisch dem eigenen Verständnis und der eigenen Interpretation des Gelernten. Der Präsident des Fernsehherstellers TCL sagte einmal, wenn man vor zwanzig Jahren keine westlichen Managementbücher gelesen habe, sei man unwissend gewesen; wenn man diese Bücher auch heute, zwanzig Jahre später noch lese, sei man völlig inkompetent. Westliche Managementtheorien werden somit in das chinesische Umfeld eingepflanzt, es entsteht ein eigener, sehr situativ orientierter Managementstil.
Einige der befragten chinesischen Manager waren mit Peter Drucker in zwei Punkten einig: Gute Führungspersonen haben erstens eine grosse Zahl von Anhängern, von denen ihnen zweitens ein grosses Vertrauen entgegengebracht wird. Die grösste Aufgabe in chinesischen Augen ist denn auch die Fähigkeit zu beeinflussen und zu überzeugen. Die Untergebenen sollen die Ideen der Führungsperson übernehmen. Diese Aufgabe ist weniger auf technische Fähigkeiten zurückzuführen, sondern beruht vor allem auf der Fähigkeit, bei den Angestellten Vertrauen und Überzeugung schaffen zu können.
Während dies gerade in einer Aufbauphase wichtig ist, scheitern in China manche Führungskräfte daran, dass Erfahrung und Intuition bei Erreichen einer gewissen Unternehmensgrösse nicht mehr ausreichen und wesentlich mehr auch organisatorisches Talent und strategische Voraussicht gefordert sind. In diesem Sinn verlangen demnach auch unterschiedliche Entwicklungsniveaus des Unternehmens einen unterschiedlichen Führungsstil.
Aus der Befragung wurde offenbar, dass gerade bei Klein- und Mittelfirmen ein paternalistischer Führungsstil relativ verbreitet ist. Die Vorteile dieses Stils sind offensichtlich:
Weitere Kostenlose Bücher