Leitfaden Homöopathie (German Edition)
erst nach der Vorauswahl der Arznei zur endgültigen Differenzierung im Sinne eines Zünglein an der Waage.
Für Bönninghausen gehören zur Fallaufnahme und Repertorisation mindestens vier Hauptbestandteile: ein vollständiges Symptom , das sich aus einer Lokalisation, einer Empfindung und einer Modalität zusammensetzt und ein Begleitsymptom . Das Begleitsymptom kann ein Gemütssymptom, eine zweite Modalität oder Empfindung oder die Lokalisation eines begleitend unerwarteterweise affizierten Organs sein.
Im Therapeutischen Taschenbuch gibt es auch ein Kapitel über die Konkordanzen . Dieses bezieht sich auf die Verwandtschaften der Arzneimittel. Wenn nach Mittelgabe Symptome auftreten, die zum Wirkungsspektrum des verabreichten Mittels gehören, so wird das Mittel nicht gewechselt. Ist aber aufgrund einer Veränderung der Symptomatik ein neues Mittel indiziert, so sind die Konkordanzen eine gute Hilfestellung, um rasch die passende Folgearznei zu finden ( Kap. 9.3 ).
Ein Homöopath, der sich nach dem Tode Bönninghausens intensiv mit dessen Methode befasste, war der Arzt und Apotheker Cyrus Maxwell Boger (1861–1935). Er gab 1905 „Boenninghausen’s Characteristics and Repertory“ heraus. Dieses Werk enthält zwei Teile: Materia medica und Repertorium. Als Quellen dienten neben dem „Therapeutischen Taschenbuch“ u.a. die Spätwerke Bönninghausens.
Das Repertorium ist nach dem „Kopf-zu-Fuß-Schema“ ( Kap. 5.3.1 ) angeordnet, und die Kapitel sind gemäß des Grundgedankens (Zerlegen eines vollständigen Symptoms) in Lokalisation, Empfindung, Modalität und Begleitumstände unterteilt, wobei, abweichend vom „Therapeutischen Taschenbuch“, die Modalitäten nicht völlig isoliert, sondern am Schluss eines Kapitels auf die jeweilige Region bezogen aufgeführt sind.
Was die Potenzen betrifft, so fällt bei Bönninghausen auf, dass er in seiner späteren Zeit überwiegend die C200 als Potenz verordnete.
10.3 Kent-Künzli-Schule
Die Kent-Künzli-Schule geht auf James Tyler Kent (1849–1916) zurück und wurde von dessen Schülern und weiteren Schülergenerationen tradiert und weiterentwickelt. Insbesondere Jost Künzli von Fimmelsberg (1915–1992) brachte neue Aspekte in die Therapie, so z.B. den Einsatz der Q-Potenzen.
Der US-Amerikaner Kent war Student an der eklektischen Medizinfakultät in Cincinnati. Dort wurden neben allopathischen Methoden auch homöopathische, naturheilkundliche und chiropraktische Therapiekonzepte gelehrt. Von der Homöopathie als Behandlungsmethode ließ er sich aber erst nach erfolgreicher homöopathischer Behandlung seiner Frau überzeugen. Er erlernte die Homöopathie weitgehend als Autodidakt anhand der Schriften Hahnemanns und Herings.
Einfluss durch Swedenborg
Im Laufe der Zeit studierte er neben den homöopathischen Werken auch die Schriften Emanuel Swedenborgs (1688–1772). Die nach Kent benannte Kent’sche Reihe von Potenzschritten (C30, C200, M, XM, LM, MM, Kap. 6.3 ) lehnt sich an Swedenborg an, der die Vorstellung propagierte, dass man sich der Unendlichkeit schrittweise über bestimmte Stufen annähern sollte. Kents legendäre Aussage „The mind is the key to the man“ dürfte ebenfalls durch Swedenborg beeinflusst gewesen sein. Die „Swedenborgianer“ betrachteten Krankheit immer als eine Störung des innersten, psychischen Kerns des Menschen, und damit als psychisches Problem mit entsprechenden Symptomen. Auch mit der Hierarchisierung lässt sich bei Kent ein Bezug zu Swedenborg herstellen.
Gemäß der Kent-Künzli-Schule ergibt sich folgende Hierarchie von Symptomen:
1.Auffallende, sonderliche, eigenheitliche Symptome (gemäß Organon, § 153),
2.Gut beobachtete Geistes- und Gemütssymptome,
3.Allgemeinsymptome (den ganzen Menschen betreffende Modalitäten, Absonderungen, Schlaf, Symptome der Menses usw.),
4.Ursachen (im Sinne von Beschwerden durch Kälte, Wind etc.),
5.Begleitsymptome,
6.Lokalsymptome.
Kent lehrte als Professor an mehreren Colleges und aus Mitschriften seiner Vorlesungen gingen zwei bedeutende Werke hervor:
Aus den Vorlesungen über Hahnemanns „Organon“ ging das von Künzli aus Pierre Schmidts französischer Bearbeitung ins Deutsche übersetzte „Zur Theorie der Homöopathie“ hervor.
Kents Arzneimittellehre entstand aus Vorlesungsmitschriften zur Materia medica, bei denen sich Kent v.a. an Herings „Guiding Symptoms“ orientierte. Sie umfasst 183 Mittel, bei denen Kent besonderes Augenmerk auf die
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