Leitfaden Homöopathie (German Edition)
Facetten, da die einzelnen Symptome oder Symptomenkomplexe nicht mehr isoliert betrachtet werden können. Sie alle sind generiert durch eine chronische Grunderkrankung (Miasma) und können ausschlaggebend für die Arzneiwahl sein.
Durch die Kenntnis der genauen Symptome der einzelnen Miasmen lässt sich abschätzen, welches Miasma derzeit beim Patienten vorherrscht und ob gegebenenfalls andere miasmatische Belastungen vorliegen, evtl. sogar aus der leiblichen Familie. Da im Zweifellsfall immer für das gerade vorherrschende Miasma verschrieben werden soll, ergeben sich durch die Kenntnis der Symptomatologie der drei Miasmen eindeutige therapeutische Konsequenzen.
Über das Vorhandensein von (auch der familiengeschichtlich explorierbaren) Miasmen lässt sich eine Einschätzung über die möglichen, zukünftig infrage kommenden Arzneimittel, die Komplexität und die Dauer einer homöopathischen Behandlung machen.
Es wird deutlich, dass in der zeitlichen Dimension alle bisherigen gesundheitlichen Probleme bzw. Symptome des Patienten mit dem aktuellen Problem in Zusammenhang stehen und deshalb auch bei der aktuellen Arzneiwahl prinzipiell berücksichtigt werden können (nicht müssen).
Außerdem zeigt sich mit zunehmender Erfahrung auf diesem Gebiet, dass bestimmte, tiefwirkende Arzneien gerade dann besonders indiziert sind, wenn eine familiäre Belastung mit bestimmten schweren Erkrankungen vorliegt.
Ohne Frage ist eine erfolgreiche homöopathische Praxis auch ohne das Wissen um die chronischen Krankheiten zu führen, um so mehr, da allein die Verordnung nach den Hahnemann’schen Grundsätzen des Ähnlichkeitsgesetzes häufig zu miasmatisch wirksamen Medikamenten führt. Letztlich ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis der Behandler an eine Grenze kommt, an der es in der Therapie (im Einzelfall und ganz allgemein) nicht mehr vorangeht. Dies ist die Grenze, die auch Hahnemann erfuhr und die ihn zu der Erforschung und der Formulierung der Theorie der chronischen Krankheiten führte. Unabhängig davon, ob diese mühselig zu erarbeiten sind, haben sie sich in der Praxis mehr als bewährt und letztlich gibt es zu deren tieferen Verständnis und gewinnbringendem Einsatz keine Alternative als sie Schritt für Schritt nachzuvollziehen.
4.1 Homöopathische Anamnese
Das Kernziel der homöopathischen Anamnese ist das Erlangen von Informationen, die als Grundlage für die Verschreibung des passenden homöopathischen Arzneimittels dienen.
Dieser kurze Satz beschreibt im Wesentlichen, worum es bei jeder homöopathischen Anamnese geht. Er enthält mehrere Stichwörter, um deren Charakterisierung es im Folgenden geht:
Die homöopathische Anamnese,
Informationen = Symptomatologie ( Kap. 4.2 ),
das passende homöopathische Arzneimittel (Arzneifindung Kap. 4.3 ).
In den folgenden Abschnitten werden die grundsätzlichen Regeln des homöopathischen Patientengespräches (= Anamnese) und dessen Durchführung erörtert.
4.1.1 Definition
Roche Lexikon der Medizin 5. Auflage: „Anamnese: die subjektiv erinnerlichen (oder von Angehörigen mitgeteilten) früheren Krankheiten als Vorgeschichte einer aktuellen Krankheit (= Eigenanamnese), ergänzt durch Krankheitsangaben aus dem Familienbereich (= Familienanamnese).“
Diese schulmedizinische Definition beschreibt die Anamnese als eine in die Vergangenheit gerichtete Exploration, bezogen auf eine aktuell vorhandene Erkrankung. Sie dient hauptsächlich diagnostischen Zwecken. Die Charakterisierung der homöopathischen Anamnese ist deutlich weiter gefasst. Hahnemann beschreibt sie in seinem „Organon der Heilkunst“, wie folgt:
„Der Kranke klagt den Vorgang seiner Beschwerden; die Angehörigen erzählen sein Klagen, sein Benehmen, und was sie an ihm wahrgenommen; der Arzt sieht, hört und bemerkt durch die übrigen Sinne, was verändert und ungewöhnlich an demselben ist. Er schreibt alles genau mit den nämlichen Ausdrücken auf, deren der Kranke und die Angehörigen sich bedienen. Wo möglich, lässt er sie stillschweigend ausreden, und wenn sie nicht auf Nebendinge abschweifen, ohne Unterbrechung. Bloß langsam zu sprechen, ermahne sie der Arzt gleich anfangs, damit er dem Sprechenden im Nachschreiben des Nötigsten folgen könne.“ (Organon, § 84)
Der Fokus der Befragung liegt auf dem Kranken und dessen Befinden und nicht ausschließlich auf seiner Krankheit und deren Symptomatologie (ein bedeutender Unterschied zur Schulmedizin).
Informationen über den Patienten und
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