Leitfaden Homöopathie (German Edition)
homöopathischen Lehre, sie wird nicht oder missverstanden, der praktische Nutzen bleibt häufig unklar. Hierfür sind im Wesentlichen zwei Faktoren verantwortlich:
1.Hahnemanns Forschungen und die Schlussfolgerungen daraus sind das Ergebnis jahrelanger Beobachtungen am Patienten, und als solche hat er diese notwendigerweise auch präsentiert, ausführlich, meist in Form von langen Symptomenaufzählungen, wie sie in Auszügen auch in diesem Kapitel dargestellt wurden. Das Nachvollziehen und v.a. die praktische Nutzung seiner Ideen erfordert dasStudium all dieser Listen von Symptomen. Im Gegensatz zu den Grundprinzipien des homöopathischen Heilens, wie sie im „Organon der Heilkunst“ und der „Reinen Arzneimittellehre“ dargestellt werden, erschließt sich der praktische Nutzen der Lehre von den chronischen Krankheiten nicht so ohne Weiteres. Auch kommt die tägliche homöopathische Praxis bis zu einem gewissen Punkt ohne das Wissen um die chronischen Krankheiten aus. Anders als bei der grundlegenden Theorie der Homöopathie und den Arzneimittellehren, ist es im Zusammenhang mit den chronischen Krankheiten außerdem nie gelungen, kompakte Zusammenfassungen zu erstellen, die das Wissen über die Miasmen (Psora, Pseudopsora, Sykosis und Syphilis) in prägnanter Form für die tägliche Praxis nutzbar machen. Diese Versuche endeten in hervorragenden Werken, die jedoch ihrerseits lange Symptomenreihen enthalten (z.B. J.H. Allen, „Die chronischen Krankheiten. Die Miasmen“). Die Krux der mühsamen Arbeit zur Erschließung der chronischen Krankheiten für den täglichen Praxisalltag ist wohl einer der Gründe für das fehlende Verständnis oder die mangelnde Akzeptanz dieses Teils der Hahnemann’schen Lehre.
2.Ein anderer Grund für das fehlende Verständnis der Hahnemann’schen Lehre von den chronischen Krankheiten in der heutigen Zeit sind die mannigfaltigen Interpretationen, die derzeit an vielen Schulen gelehrt werden. Ohne die theoretischen Grundlagen wirklich zu erarbeiten, werden Auslegungen der Lehre von den chronischen Krankheiten weitergeben, die z.T. auf Ideen oder Konzepten beruhen, die mit klassischer Homöopathie wenig oder nichts zu tun haben, jedoch den heutigen Zeitgeist bedienen ( Kap. 10 ). Die Wissens- und Verständnislücke, die dadurch beim Schüler der Homöopathie entsteht, scheint im Nachhinein kaum zu schließen zu sein, der tatsächliche Nutzen des Wissens um die chronischen Krankheiten geht verloren, falsche Vorstellungen werden oft unwiderruflich verankert.
Wie aber sieht der Nutzen aus, der das Studieren der langen Symptomenlisten, wie sie Hahnemann und dessen Nachfolger erstellt haben, rechtfertigt? Einige der praktischen Anwendungsmöglichkeiten wurden im Text bereits erwähnt und sollen abschließend nochmals zusammenfassend aufgeführt werden:
Praktische Bedeutung bei der Fallbetrachtung
Die Herkunft der Erkrankung(en) des Patienten hat nichts mit Zufall zu tun und ist somit nicht als statistisches Phänomen zu betrachten, sondern kann als Folge der gesundheitlichen Problematik der Vorfahren bzw. intimen Kontaktpersonen (Miasmen sind ansteckend) verstanden werden.
Durch die Erkenntnis des stadienhaften Verlaufes chronischer Erkrankungen wird klar, dass Menschen, die keine wesentlichen Erkrankungen präsentieren, aber doch unter leichteren, funktionellen Störungen leiden, im Sinne der Hahnemann’schen Lehre krank sind, sich aber in einem Latenzstadium befinden. Ebenso weisen bestimmte Stigmata auch ohne das Vorliegen von Erkrankungen auf eine miasmatische Belastung hin und bedingen dadurch eine gerichtete homöopathische Behandlung.
Die genaue Kenntnis der miasmatischen Symptome im Sinne Hahnemanns und dessen direkter Schüler lässt eine Prognosestellung bezüglich des jeweils vorliegenden Krankheitsfalles und dessen Heilbarkeit bzw. deren zeitlicher Dimension zu. So ist z.B. ein Patient mit latenter Psora ohne andere miasmatische Belastung deutlich leichter und schneller zu kurieren als ein latent psorischer Patient mit familiärer sykotischer oder syphilitischer Belastung.
Persistieren trotz Besserung der Krankheitserscheinungen beim Patienten Symptome des vorliegenden Miasmas, kann der Patient auch bei scheinbar befriedigendem Behandlungsverlauf nicht als geheilt gelten.
Praktische Bedeutung bei der Arzneiwahl
Das Wissen um die Existenz der chronischen Krankheiten führt zum tieferen Verständnis des vom Patienten präsentierten Krankheitsbildes in all seinen
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