Lelord, Francois
Hector sehr erleichterte, denn wie Sie vielleicht wissen, wenn
Sie seine früheren Abenteuer gelesen haben, hatte er ja beschlossen, keine
Dummheiten mehr zu machen, es nicht einmal mehr zu versuchen, nicht einmal
mehr daran zu denken, aber das war natürlich beinahe unmöglich, wenn man nicht
gerade im Endstadium einer schweren Krankheit lag.
Er hatte
schon vor einiger Zeit bemerkt, dass es einen großen Unterschied zwischen
Männern und Frauen gab: Wenn eine Frau einen Mann liebte, dachte sie nicht mehr
so sehr an die übrigen Männer, während es sich ein Mann, selbst wenn er
verliebt und glücklich war, nur schwer verkneifen konnte, sich auch woanders
umzuschauen. Daran waren die Evolution und die natürliche Auslese schuld - wir
sind die Nachfahren der am wenigsten treuen Männer, jener Männer also, die in
allen Himmelsrichtungen ein Maximum an Sprösslingen zurückgelassen und ihre
Erbanlagen damit am stärksten in den menschlichen Genpool eingebracht hatten.
Ein besonders tröstlicher Gedanke war das freilich nicht, fand Hector. Aber
immerhin hatten es die Männer ja schon geschafft, ihre Neigung zur
Gewalttätigkeit die meiste Zeit über zu bezähmen, und so durften sie hoffen,
dass sie auch ihre Neigung zur Untreue in den Griff bekamen, und Hector freute
sich jedes Mal, wenn es ihm wieder gelungen war.
Er ließ
eine Schiebetür zur Seite gleiten und gelangte in einen kleinen Flur, in dem er
seine Schuhe auf einem Bambusregal zurücklassen musste; dann betrat er den
zentralen Raum, über dem sich Gebälk aus dunklem Holz wölbte. Eine lächelnde
Tochter des Landes führte ihn durch eine hölzerne Trennwand und vorbei an
reizenden, mit Aquarellen bemalten Wandschirmen in ein separates Zimmer, in dem
an einem niedrigen Tisch ein korpulenter Mann im Schneidersitz hockte.
»Hatten
Sie eine gute Reise?« Jean-Marcel hatte sich nicht verändert, außer dass er ein
paar Kilo zugelegt hatte; jedenfalls hatte er noch seinen durchdringenden
Blick und seine Fähigkeit, mit dem Mund zu lächeln, selbst wenn die Augen es
nicht taten, was Leutnant Ardanarinja natürlich sofort aufgefallen wäre - und
genau über diese Dame wollte Hector mit ihm sprechen.
Zunächst
einmal musste er sich aber auf dem Fußboden niederlassen, mit nichts als einem
kleinen mauvefarbenen Seidenkissen als Stoßdämpfer, und während er Jean-Marcel
zuhörte, bemühte er sich, nicht an seinen gequälten Allerwertesten zu denken.
»Ich liebe
dieses Restaurant«, sagte Jean-Marcel. »Man serviert hier die traditionelle
Küche des Landes, nicht bloß das altbekannte Grillzeugs, und es kommen
praktisch nur Stammgäste.«
Die
Kellnerin hatte gerade verschiedene kleine Gerichte vor ihnen aufgebaut, und
tatsächlich machte alles einen appetitlichen Eindruck: Gemüse und Fleisch und
Nudeln, die auf unterschiedliche Art gekocht waren (sodass man einige gar
nicht mehr identifizieren konnte - waren es Pilze, Fleischstücke oder
unbekannte Gemüsesorten?). Hector war froh, dass er mit Mademoiselle Jung-In
Park nur einen Salat gegessen hatte, und er legte jetzt mit einer
tintenschwarzen Sesamsuppe los, die an einem so winterlichen Tag großartig
schmeckte.
»Außerdem
kann man hier sicher sein, dass niemand mithört. Wer kein Stammgast ist, fällt
sofort auf.«
In diesen
Worten schien das Metier von Jean-Marcel durch. Hector hatte ihn auf einer
früheren Reise kennengelernt. Damals hatte er geglaubt, ihm ganz zufällig
begegnet zu sein, aber in Wahrheit war Jean-Marcel entsandt worden, um Hector zu
überwachen und um das, wonach Hector suchte, schneller zu finden: einen
verrückten Wissenschaftler und seine Entdeckung, die vielleicht die Welt
verändert hätte. Es ging um einen Liebestrunk, mit dem sich zwei Personen, die
ihn gemeinsam einnahmen, ganz gezielt ineinander verlieben konnten.
Damals
waren Jean-Marcel und Hector beide von heftigen Liebesqualen geplagt worden,
und das hatte sie einander nähergebracht - aber auch die gemeinsam
ausgestandenen Abenteuer an einem Ort, wo man nachts die Tiger brüllen hörte.
Dabei hatte Hector es am Ende so eingerichtet, dass weder Jean-Marcel noch
sonst wer jemals Zugang zu dieser magischen und gefährlichen Pille haben würde.
Natürlich war Jean-Marcel ihm deswegen böse gewesen, schließlich war seine
Mission ja fehlgeschlagen, aber schließlich waren sie in gutem Einvernehmen
auseinandergegangen: Er hatte verstanden, weshalb Hector so gehandelt hatte,
und fand selbst, dass die Liebe so weit wie möglich in
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