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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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»sind es eher
Kampfgefährten. Uns fasziniert dasselbe Abenteuer, wir sind mit denselben
Problemen konfrontiert, wir helfen uns gegenseitig. Und dann sind die Leute
hier sowieso immer auf der Durchreise, man weiß, dass alles nur vorübergehend
ist. Man muss erst ein bestimmtes Alter erreicht haben, um zu begreifen, dass
langjährige Freunde so rar sind wie Baumriesen.«
    »Und
Edouard?«
    »Es stimmt
schon, dass wir uns ein bisschen aus den Augen verloren hatten. Im Grunde lag
es wohl daran, dass ich seinen Lebensstil nicht akzeptieren konnte, und ich
glaube, er spürte das. Deshalb sahen wir uns nicht mehr so gern. Aber jetzt...
Ich habe richtige Schuldgefühle, dass ich ihm all die Jahre die kalte Schulter
gezeigt habe. Und weißt du, vielleicht wollte er ja genau das mit seinem Brief
erreichen - dass ich mich ein bisschen schuldig fühle!«
    »Mag sein.
Aber da gibt es noch eine andere Sache.«
    Und
geschützt von den Klängen der Kapelle und den Stimmen der anderen Gäste,
erzählte Hector seinem Freund leise vom Besuch des Leutnants Ardanarinja, von
den dreihundert Millionen Dollar und von dem Foto, das Edouard ihm geschickt
hatte.
    »Dreihundert
Millionen? Und die Zeitungen haben nichts davon berichtet?«
    »Nach dem,
was mir Miss Interpol gesagt hat, gelangen solche Geschichten nur manchmal in
die Medien.«
    Jean-Michel
trank den letzten Schluck Bier.
    »Ich
glaube, du solltest gut aufpassen«, sagte er.
    »Aufpassen?
Wieso?«
    »Vielleicht
bin ich ja paranoid, aber das kommt von ganz allein, wenn man in Ländern wie
diesem hier lebt. Hast du dich nie gefragt, wem er all diese Millionen geklaut
hat?«
    »Ahm ...
nein. Seiner Bank, oder?«
    »Und warum
steht es dann nicht in der Presse?«
    »Was weiß
ich ... Der gute Ruf der Bank und so ...«
    »Ja, klar,
aber für den Ruf dieser Bank könnte es auch schädlich sein, wenn man erfährt,
wer so alles ihre Kunden sind ...«
    »Und Miss
Interpol?«
    »Was weißt
du denn über Interpol?«
    »Nichts
... außer dass sie dazugehört.«
    »Und was
beweist dir das?«
    Ein
Plastikkärtchen. Das typische Polizistengehabe. Ein charmantes Lächeln,
Sportlerinnenbeine und flache Absätze. Nein, Beweise waren das nicht.
    »Und
übrigens«, sagte Jean-Michel, »dreh dich nicht um, aber dort hinten steht ein
Typ, den ich hier noch nie gesehen habe und der schon die ganze Zeit auffallend
versucht, bloß nicht zu uns herüberzugucken. Er steht am Tresen, ein großer,
kräftiger Kerl mit Glatze und Schnauzer. Sieht wie ein Australier aus oder wie
ein Nordeuropäer.«
    »Du
solltest Polizist werden. Ich geh mal kurz aufs Klo.«
    Als er an
der Theke vorbeikam, fiel ihm der Mann gleich auf, und als dieser seine Augen
vom Bierglas hob, trafen sich ihre Blicke für den Bruchteil einer Sekunde, ehe
sich der Mann wieder in die Betrachtung seines Glases versenkte. Aber eine
Videoaufzeichnung seines Gesichts, wie die, von denen Leutnant Ardanarinja so
schwärmte, hätte bestimmt gezeigt, dass Hector für ihn mehr als ein Unbekannter
war. Und was Hector in diesem winzigen Moment auf dem Gesicht des Mannes
gelesen hatte, gefiel ihm überhaupt nicht: Er hatte darauf jene Art von Leere
wiedererkannt, die ihm vor etlichen Jahren, als er mit Polizeipsychologen an
einem Forschungsprojekt gearbeitet hatte, in den Augen mancher Sträflinge
aufgefallen war.
    »Ich bring
dich zurück in dein Hotel«, sagte Jean-Michel.
    Der
riesige Geländewagen verschaffte Hector auf der Rückfahrt ein tiefes Gefühl
von Sicherheit. Er sagte sich, dass dieses Auto, wenn es eine Seele hatte,
bestimmt glücklicher war, auf der Fahrt in die Dorfambulanzen schlammige
Steigungen zu erklimmen und löchrige Wege herabzuholpern, als wie die meisten
seiner Brüder weltweit über die glatten, breiten Straßen der feinen
Stadtviertel zu gleiten. Jean-Michel stoppte seinen Wagen unter dem Vordach
aus verwittertem Beton, und der Portier kam ihnen in seiner Livree entgegen.
    »Geh ohne
mich nicht aus dem Haus. Ich kann dir auch jemanden vorbeischicken. Mit dem
Geld unseres Freundes könnte ich dir sogar richtige Leibwächter bezahlen.«
    »Das ist
nett von dir, aber ich reise morgen sowieso ab. Ich mache mich wieder auf die
Suche.«
    »Bitte ruf
mich regelmäßig an. Halte mich auf dem Laufenden.«
    »Na klar.«
    »AlteFreunde
...«
    »... sind
so rar wie Baumriesen.«
    Als Hector
wieder auf seinem Zimmer war, schaltete er den Fernseher ein, um sich ein wenig
zu entspannen. Ein junger Mann und eine junge Frau, beide aus diesem

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