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Lemmings Zorn

Lemmings Zorn

Titel: Lemmings Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Klopfgeräusche, die durch die geschlossene Tür des Schlafzimmers dringen. Kein Zweifel: ein musikalisches Kind.
    «Ich werd mir die Frau einmal anschauen», sagt der Lemming. «Und den Mann, Mister Smith, falls er da ist.»
    «Ja, mach das. Derweil fahr ich mit dem Kleinen und Castro nach Ottakring. Aber eines noch, Poldi», Klara legt ihre Hand auf seinen Arm. «Versprich mir, dass du vorsichtig bist. Ich hab keine Lust, deine Reste unter irgendeinem Strauch im Liechtensteinpark zusammenzukratzen.»
    «Versprochen. Und was machen wir inzwischen mit der Eingangstür?»
    «Wir sagen’s einfach der alten Homolka. Sie soll aufpassen, dass niemand in die Wohnung geht.»
    Der Lemming starrt Klara an. Und erkennt in derselben Sekunde die Wahrheit: dass nämlich Ironie die schönste Form des Galgenhumors ist. Und Klara die schönste Ironikerin zwischen Himmel und Erde.

15
    «Der neunte Bezirk war damals noch ein günstigeres Pflaster. Trotzdem hat die Wohnung mehr gekostet, als wir aufbringen konnten; das Erbe meines Vaters hat nicht annähernd gereicht für unseren Traum.»
    «Und   … Ihre Schwiegereltern?»
    «Die haben mich von Anfang an nicht leiden können, vor allem der Vater. Die haben sich etwas besseres für ihre Tochter gewünscht als einen atheistischen Freiberufler, einen langhaarigen Piefke noch dazu. Sie durften ja nicht einmal wissen, dass meine Liebste   … meine Frau am Theater ist. Die haben allen Ernstes geglaubt, sie arbeitet für den Kirchenfunk. Kein Witz. Von denen war also kein Cent zu erwarten, die hätten höchstens was darum gegeben, wenn ich damals – gemeinsam mit meiner Mutter – im Hamburger Hafenbecken verreckt wäre.»
    «Wie haben Sie die Wohnung dann bezahlt?»
    «Ich habe mir das trojanische Pferd in die Festung geholt, oder besser: die Festung rund um das Pferd gebaut. Weil ohne Pferd keine Festung. Kurz gesagt: Ich habe einen Kredit aufgenommen. Jetzt fragen Sie sich sicher, warum die Bank einem dahergelaufenen Schreiberling Geld leiht. Und zwar eine ganze Menge Geld. Ich sag es Ihnen: Kurz bevor wir auf die Wohnung in der D’Orsaygasse gestoßen sind, Ende November siebenundneunzig war das, da habe ich einen Auftrag an Land gezogen. Und nicht nur irgendeinen Auftrag, sondern einen,der dem Höhenflug, dem Glücksrausch dieses Jahres die Krone aufgesetzt hat. Ein Anruf von der Direktion des Volkstheaters: Man sei durch meine Arbeit auf mich aufmerksam geworden und wolle nun wissen, ob ich Interesse an einem Projekt hätte.»
    «Ein Stück?»
    «Nein. Einen ganzen Zyklus. Vier Theaterstücke.»
    «Allerhand. Ein Jackpot sozusagen.»
    «Eher die richtige Zahlenkombination. Der Lottoschein war schließlich noch nicht ausgefüllt, die Stücke noch nicht geschrieben. Es sollte – das war die einzige Vorgabe – um vier Tode und vier Elemente gehen. In Paris war ja drei Monate vorher Lady Diana tödlich verunglückt: eine selten dramatische Geschichte, Thriller, Tragödie und Operette in einem. Weinende Hausfrauen, politische Krisen, weltweites Entsetzen, ausgelöst durch etwas derart Winziges, derart Profanes wie das Blitzlicht eines Fotografen, das den Chauffeur geblendet hatte. Feuer also. Das war die Grundidee. Wasser, Erde und Luft sollten folgen, im Abstand von jeweils zwei Jahren. Als ich die Verträge unterschrieb, da hatte ich so ein Gefühl, als ob   … Als ob ich aus meinem Körper trete und mich von außen betrachte. Eigentlich haben Sie recht: ein Jackpotgefühl. Man ist zu klein für das, was mit einem geschieht, zu klein für diese nicht enden wollende Folge von Segnungen. Also muss man irgendwie aus sich hinaus, um Platz zu schaffen für das Glück. Ja, ich war außer mir.»
    «So viel Geld?»
    «So viel Geld. So viele Ideen. So viel Zukunft. So viel Liebe zu einer Frau, die all das mit mir teilen würde. Am Tag nachdem wir die Wohnung besichtigt hatten, bin ich mit den Verträgen zur Bank gegangen, und siehe da: Die Aussicht auf meine fürstlichen Honorare hat mir den Heiligenschein der Kreditwürdigkeit verliehen. Und damit den Schlüssel zum Tresor.Mitte Dezember waren wir Wohnungsbesitzer. Mit einem kleinen Zusatzeintrag im Grundbuch.»
    «Die Bank   …»
    «Natürlich die Bank. Aber das war egal: Ich hatte ja Arbeit für die nächsten Jahre, nicht nur generös bezahlte, sondern erfüllende, spannende, fesselnde Arbeit. Wissen Sie, wie sich das anfühlt, wenn die besten Schauspieler des Landes Ihren Worten und Figuren Leben einhauchen? Wenn sie das zum

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