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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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bekommen. Als sie sich etwas hergerichtet hatte, wählte Lena die Nummer des Sekretariats.
    »Guten Morgen, Katja.«
    »Hallo, Lena, was willst du denn so früh schon hier? Du wolltest doch erst nach zwei hier sein.«
    »Es hat sich so ergeben. Kann ich bei dir einen Tee kriegen?«
    »Na klar, komm rüber, ich setze ihn gleich auf.«
    Als Lena ins Vorzimmer ihres Chefredakteurs trat, brühte Katja, eine füllige Blondine von fünfundzwanzig, bereits den Tee. Auf einem Tischchen stand ein Teller mit belegten Broten.
    »Ich habe auch noch nichts gegessen«, erklärte sie. »Möchtest du einen Joghurt? Mein Kühlschrank ist voll davon. Der Chef ißt am liebsten fünf am Tag, aber ich kann das Zeug nicht ausstehen. Das ist mein Problem – ich mag es herzhaft.«
    »Dir steht das«, tröstete sie Lena und ließ einen Löffel Joghurt in den Mund gleiten.
    Das Telefon klingelte. Katja kaute rasch ein Stück Rauchwurst hinunter und nahm den Hörer.
    »Redaktion der Zeitschrift ›Smart‹, Sekretariat des Chefredakteurs.«
    »Guten Morgen«, hörte sie eine hohe Männerstimme, »finde ich bei Ihnen Lena Poljanskaja?«
    »Mit wem spreche ich?« fragte Katja.
    Der Teilnehmer am anderen Ende stockte einen Augenblick und sagte dann: »Hier ist das Fitness-Center ›Storch‹. Kommt sie nun zum Training oder nicht? Sie hat sich angemeldet, zahlt regelmäßig, erscheint aber nicht.«
    »Einen Augenblick«, Katja hielt den Hörer mit der Hand zu und flüsterte: »Lena, kennst du ein Fitneß-Center ›Storch‹? Die fragen nach dir.«
    Lena nahm den Hörer.
    »Hier ist Lena Poljanskaja.« Am anderen Ende wurde es still.
    »Na, was ist«, sagte Lena scharf, »wollen Sie nun mit mir reden oder nicht?«
    Als Antwort kam nur das Besetztzeichen.
    Als sie aufgelegt hatte und wieder zur Teetasse griff, spürte sie, wie Katja sie verwundert anblickte.
    »Lena, wer war das?« fragte sie aus irgendeinem Grunde im Flüsterton.
    »Ach, Unsinn. Reden wir nicht davon.«
    »Und wenn der wieder anruft?«
    »Dann schickst du ihn zur Hölle. Und sei dabei nicht zimperlich«, riet ihr Lena.
    In ihrem Büro zurück, schaute sie die frisch eingegangenen Manuskripte durch und stieß dabei auf ein Paket aus Washington. Es war eine Erzählung der bekannten amerikanischen Autorin Josephine Wordstar, auf das Lena schon lange wartete. Die siebzigjährige Amerikanerin hatte sie vor fünf Jahren kennengelernt, als sie zum ersten Mal in den USA war. Seitdem stand sie mit ihr im Briefwechsel.
    Zwei oder drei von Josephines Romanen waren in Rußland als Raubdrucke in schrecklicher anonymer Übersetzung erschienen. Josephines Empörung kannte keine Grenzen. Sie schickte sogar einen ihrer Anwälte nach Rußland. Aber der konnte niemanden vor Gericht zerren, denn der Piratenverlag hatte sich bereits in Luft aufgelöst.
    Lena brauchte viel Zeit, um Josephine zu überreden, der Zeitschrift »Smart« eine ihrer Erzählungen zu überlassen.
    In dem beiliegenden Brief erzählte Josephine ausführlich vom tragischen Tod ihrer Siamkatze Linda, von der Scheidung ihres älteren Sohnes James und den Balletterfolgen der zwanzigjährigen Enkelin Sarah. Am Ende bat sie Lena, die Erzählung selbst zu übersetzen.
    Die stürzte sich mit Vergnügen auf die solide, anheimelnde amerikanische Prosa. Die Erzählung hieß »Sweetheart« und begann mit den Worten: »Mir reicht’s!«
    Mir reicht’s auch, dachte Lena bei sich. In diese Ganovenspiele lasse ich mich nicht ein …
    Da erschien ihr Mitarbeiter, der 23jährige Taugenichts Goscha Galizyn, in der Tür. Er hatte vor kurzem das Moskauer Fremdspracheninstitut absolviert. Bei »Smart« nahm man ihn, weil er der Filius des Chefredakteurs war. Der wollte seinen ungeratenen Sohn unter Kontrolle haben, was die amerikanische Seite überhaupt nicht gern sah.
    Goscha konnte sich tagelang mit Computerspielen beschäftigen, auf den Korridoren herumhängen und mit denSekretärinnen auf allen Etagen Tee trinken. Anfangs hatte Lena versucht, ihn mit Übersetzungs- und Redaktionsarbeit einzudecken, wie es der Chef von ihr forderte. Aber schon nach zwei Wochen war ihr klar, daß Goscha am besten überhaupt nichts tat. So richtete er weniger Schaden an.
    »Weißt du, Lena, ich arbeite deswegen so schlecht«, erklärte er ungerührt, »weil ich eigentlich Rockmusiker werden wollte, am besten Schlagzeuger. Da bin ich richtig gut. Wir hatten sogar eine eigene Gruppe. ›Mausoleum‹ hieß die. Hast du davon gehört? Nein? Macht nichts, du bist eine

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