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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Insektengift in die Augen.
    Der brüllte vor Schmerz auf, griff sich ins Gesicht und stürzte zu Boden, wobei er mit dem Kopf gegen die gekachelte Wand schlug. Arseni fing seine Pistole auf, die sonst in die Toilette gefallen wäre. Er schob den Gangster vollends hinein und verriegelte die Toilettentür rasch von außen. In diesem Augenblick spürte er kaltes Metall an seinem Hinterkopf.
    »Weg mit der Kanone, du Aas!« hörte er Knochenbrecher sagen.
    Der stieß Arseni wieder ins Zimmer zurück. Was mit Spely passiert war, der stumm in der Toilette lag, interessierteihn offenbar nicht. Er entriß Arseni die Spraydose und warf sie weg. Dann drückte er ihm die Pistole auf die Brust und zog aus der Hosentasche Handschellen hervor.
    »Die wollte ich eigentlich nicht für dich verschwenden«, sagte er und ließ sie um seinen Finger kreisen. »Sind nur einmal verwendbar. Kann man anlegen, aber nicht wieder aufmachen. Die schnappen automatisch zu, und einen Schlüssel gibt es nicht. Damit krepierst du dann. Hände her.«
    Arseni machte keine Bewegung.
    »Hände her!« Knochenbrecher holte aus und hieb Arseni die Handkante gegen den Hals.
    Dem blieb die Luft weg. Schwer schnaufend ließ er sich fesseln.
     
    Lena entschied sich für die U-Bahn. Das war in diesen Abendstunden, da New York voller Staus steckte, die schnellste Möglichkeit. Mit dem Taxi konnte es Stunden dauern. Inzwischen hatten sie vielleicht die Geduld verloren und Arseni umgebracht.
    Aber vorher wollten sie aus ihr noch etwas herausholen. Vielleicht, wer ihren Mann erschossen hatte? Sicher konnten die sich kaum vorstellen, daß sie das gewesen war. Inzwischen hatten sie begriffen, daß jemand sie schützte. Sie mußten wissen, wer.
    Das heißt, sie würden nicht gleich auf sie schießen. Zuerst würden sie ihr Fragen stellen. Das war ihre Chance … Wenn man nur wüßte, wie viele dort waren.
    Sie drängte sich durch den trägen Menschenstrom von Brighton. Als sie in die Gasse einbog, entsicherte sie die Waffe in ihrer Tasche.
    Die schmutzstarrende Treppe. Katzengeräusche im Halbdunkel.
    Ruhe bewahren! befahl sich Lena. Sie mußte ohne ein Geräusch in die Wohnung kommen.
    Aus Arsenis Zimmer drang Musik von »Combination«. Als Lena vorsichtig die Tür öffnete, erblickte sie einen bulligenKerl mit Stiernacken und kahlgeschorenem Hinterkopf, der mit dem Rücken zu ihr saß. Ihm gegenüber stand Arseni an die Wand gelehnt. Er war mit Handschellen gefesselt und sein Mund mit Klebeband verschlossen.
    In der Stille war es Knochenbrecher langweilig geworden. Arsenis Plattensammlung enthielt nur Gedichte von Wertinski, Galitsch und Arseni selbst, dazu Musik von Mozart und Vivaldi. Er spuckte ärgerlich aus. Schließlich fand er in seinen unergründlichen Taschen eine Kassette, die er erst vor kurzem gekauft hatte. Die Musik übertönte die Schritte auf der Treppe und das leise Quietschen der Tür.
    Auch den Schuß hörte er nicht mehr. Er kippte vor dem entsetzten Arseni vornüber. Sein Kopf fiel gegen Arsenis Knie.

Vierundzwanzigstes Kapitel
    Am frühen Morgen stieg ein Mann auf der kleinen Station Kamyschi aus der Moskauer Vorortbahn. Der Wind trieb dünnen Schneegriesel vor sich her, der in die Haut stach. Der Mann schloß sorgfältig den Reißverschluß seiner warmen Daunenjacke, zog sich die Strickmütze über die Ohren und stapfte durch den Schneematsch in Richtung Dorf.
    In diesem unrasierten, gebeugten Mann mit Rucksack hätte wohl niemand den erfolgreichen Geschäftsmann, den Chef der florierenden Firma »Puls«, Anatoli Weiß, erkannt.
    »Sagen Sie bitte«, wandte er sich an eine alte Frau, die ihm entgegenkam, »kann man hier im Dorf ein Zimmer in einem Haus oder Anbau bekommen?«
    »Ach, Söhnchen« – die Alte seufzte –, »von unserem Dorf ist doch kaum noch was übrig. Zweieinhalb Omas und ein Opa. Willst du für den Sommer was festmachen?«
    »Nein. Ich möchte jetzt hierbleiben. Vielleicht für zwei Wochen.«
    »Wozu?«
    »Ich will mich ein wenig erholen. Hier ist reine Luft und vor allem Ruhe.«
    »Und was zahlst du?«
    »Was man verlangt.«
    »Na schön«, meinte die Alte, »soll ich dich gleich mitnehmen? Du bist, wie ich sehe, ein gesitteter, friedlicher Mensch, der nicht trinkt. Oder?«
    »Stimmt, ich trinke nicht.« Weiß nickte. »Und friedlich bin ich auch.«
    »Sehr schön. Du kannst mir das Holz hacken. Ich bin nämlich allein, mein Alter ist vor zwei Jahren gestorben. Im Sommer bringen sie die Enkel zu mir. Wie heißt du

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