Lenas Flucht
ein junger Mann sich Ihnen widmet?«
Sweta neigte sich zum Ohr der Dame.
»Ein Mädchen!« flüsterte sie. »Dieselbe, die meinen russischen Freund bedient hat.«
Die Dame rückte etwas von ihr ab und zog erstaunt die Brauen hoch.
»Hat er Ihnen gesagt, wie sie heißt?«
Sweta schüttelte bedauernd den Kopf.
»Dann muß ich zumindest wissen, wer Ihr Freund ist.«
»Das ist ja das Problem. Ich habe seinen Namen vergessen.« Sweta biß sich ärgerlich auf die Lippen. »Vor einem Jahr war ich dienstlich in New York. Ich wollte mir den berühmten Brighton Beach anschauen. Ich komme aus Alabama. Mein Großvater ist Ukrainer. Ich sprechen ein wenig Russisch.« Sweta wechselte in ein furchtbar gebrochenes Russisch und staunte selbst, wie gut ihr das in ihrerMuttersprache gelang. »Dann ich kommen in Restaurant ›Schwarze Au…‹, oh, yes, ›Black Eyes‹, Sie wissen schon … Entschuldigen Sie, das ist so schwer …« Sie wechselte wieder ins Englische. »Richtig Russisch kann ich nur sprechen, wenn ich etwas getrunken habe.«
Die Dame hörte sich den Wortschwall schweigend an und nickte zuweilen, als sei sie ganz Ohr.
»Meine Freundin ist in Alabama geblieben, aber ganz ohne Liebe geht es nicht«, fuhr sie fort. »Ich kann aber auch nicht einfach jemanden von der Straße mitnehmen. Da habe ich mein Problem den Jungs im Restaurant erzählt. Die haben mir gesagt, Sie können mir helfen. Von ihnen habe ich auch Ihre Karte. Aber damals bin ich nicht dazu gekommen.«
»Versuchen Sie sich doch zu erinnern, wie Ihr russischer Freund heißt«, bat sie die Dame mit bezauberndem Lächeln.
»Er hatte ein schönes Tatoo auf der Hand. Einen Schädel, um den sich eine Schlange windet. Und er hieß … Jetzt hab’ ich’s: Valery! Genau wie meine Freundin in Alabama. Ein sehr schöner Name. Klingt auf russisch nur etwas anders.«
»Waleri«, wiederholte die Dame.
»Genau! So ein Großer, Hübscher.«
»Ich kann mir denken, wen Sie meinen.« Die Dame nickte.
»Ich freue mich so, daß Sie mich verstehen. Genau dieses Mädchen möchte ich. Die mit Valery zusammen war.«
»Katja.« Die Dame lächelte. »Sie heißt Katja. Sie ist gerade frei.«
Im Moment waren alle sieben Mädchen und die beiden Männer frei. Die Kunden kamen erst später – gegen elf. Viele waren es allerdings schon lange nicht mehr. Der Salon hatte bessere Tage gesehen. Daher freute sich die Besitzerin über die reiche Idiotin aus Alabama. Zwar machten ihre Mädchen solche Sachen gewöhnlich nicht, aber schließlich gab es gutes Geld zu verdienen.
»Haben Ihre Freunde Ihnen unsere Preise gesagt?« fragte sie.
»Die interessieren mich nicht«, entgegnete Sweta zerstreut, »da habe ich keine Probleme.«
»200 für eine Stunde, 350 für zwei Stunden«, schob die Dame sofort nach.
»Okay«, sagte Sweta leichthin, »wollen Sie es in bar?« Sweta zückte vier Hundertdollarscheine.
Als sie das Geld in der Tasche hatte, nahm die Dame den Hörer ab, drückte zwei Knöpfe und sagte auf russisch: »Katerina, eine Kundin für dich.« Sie senkte die Stimme und fügte sehr schnell hinzu: »Ja, ein Weib. Macht nichts, das kriegst du schon hin. Stell dich nicht so an. Weiß ich nicht. Sie will unbedingt dich.«
»Sie werden gleich aufs Zimmer geführt«, erklärte sie Sweta auf englisch.
»Oh, ich danke Ihnen sehr.«
Die Blondine im weißen Morgenmantel führte Sweta schweigend nach oben. Sie gingen an mehreren Türen vorbei. Ganz am Ende des Ganges stand ein Fenster offen. Das war Sweta schon aufgefallen, als sie das Haus von außen inspiziert hatte.
Die Dicke öffnete eine Tür und bat Sweta in das Zimmer. Sie schloß die Tür von außen.
Mitten im Zimmer stand ein breites Bett, nur mit einem Laken bezogen, ohne Kissen und Decken. Auf dem Bettrand hockte eine große, ziemlich mollige Blondine in schwarzem Bikini. Ihr Gesicht mit der Stupsnase war völlig ausdruckslos.
Sweta setzte sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer und zündete sich eine Zigarette an. Als die Schritte auf dem Gang verklungen waren, sagte sie auf russisch: »Hör zu, Katja. Ich will mit dir keine Liebe machen. Wenn du mir sagst, für wen dein Stammkunde Waleri Prichodko arbeitet, dann gehe ich sofort wieder.«
»Was für ein Prichodko? So einen kenne ich nicht!« Sie sprach mit starkem ukrainischem Akzent.
Sweta runzelte die Brauen.
»Wir können im guten miteinander reden.« Mit einer leichten Bewegung zog sie eine Pistole aus der Handtasche und entsicherte sie.
»Nimm die Kanone
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