Lenas Tagebuch
wie an einer schweren Bürde. Ich zähle jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Aber leider vergeht die Zeit sehr langsam. Da kannst du weinen, so viel du willst. Was kann ich nur tun, damit die Zeit schneller vergeht? Ich weiß schon, dafür müsste ich eine Weile nicht mehr an meine Abfahrt denken. Aber das geht nicht! Unmöglich!!
25. April
Sei gegrüßt, mein liebes Tagebuch. Endlich habe ich den Bleistift wieder in die Hand genommen. In dieser Zeit ist viel passiert. Erstens hat sich das Wetter geändert. Der Himmel ist klar und wolkenlos, aber es weht ein starker eisiger Wind. Der Eisgang vom Ladogasee geht ab. Gestern haben sich die Deutschen wieder in Erinnerung gerufen. Es gab einen schrecklichen Fliegeralarm. Er dauerte ungefähr zwei Stunden. Während des Alarms lag die Stadt unter starkem Artilleriebeschuss. Die Kantine am Nachimson-Prospekt hat geschlossen, aber Rosalija Pawlowna, die davon schon zuvor erfahren hatte, gab mir einen Berechtigungsschein für eine andere Kantine in der Prawdastraße. Heute war ich zum ersten Mal dort. Es gibt zwar lange Warteschlangen, aber dafür gutes, vielfältiges Essen.
Heute zum Beispiel gab es:
Dicke Erbsensuppe – 20 g Nährmittel
Erbsenbrei – 40 g Nährmittel
Sojabrei – 20 g Nährmittel
Sojaküchlein – 20 g Nährmittel und 5 g Fett
Fleischklößchen – 50 g Fleisch
Wurst – 50 g Fleisch
Ich nahm eine Portion Sojabrei und aß sie in der Kantine. Dann ging ich in die Bäckerei an der Ecke zur Iljitschstraße, aber da bekam man für den 27. nichts. In der Bäckerei an der Ecke von Gorochowajastraße und Sagorodny-Prospekt gaben sie auch nichts für den 27., und da beschloss ich, auf keinen Fall die Bäckerei ohne Brot zu verlassen. Und wirklich, um sechs Uhr abends kaufte ich 250 g Brot, je 100 g für 45 Rubel.
Was für eine Freude! Jetzt ist es schon halb acht, ich bin völlig satt, und die Brotmarken für den 27. habe ich auch noch alle. Mein Traum ist wahr geworden, ich habe [einen Tag] übersprungen. Morgen kann ich in jede beliebige Bäckerei gehen und jedes Brot kaufen – 300 g. Wenn das kein Grund zur Freude ist. Nein, was für eine Freude!
In Bezug auf die Evakuierung gibt es noch immer keinerlei Neuigkeiten. Keiner weiß, ob in der ersten Maihälfte evakuiert werden wird. Ich habe beschlossen, bis zur Evakuierung wieder in die Schule zu gehen. Am 3. Mai beginnt nämlich in allen Klassen wieder die Schule, und endlich kümmert man sich um die Schüler, sogar sehr. Das ist eine Anordnung unseres lieben Stalin. Den übrig gebliebenen Leningrader Schülern ist das Leben zu retten. Die Schüler werden gut zu essen bekommen. Hier ist die Anordnung der Schulverwaltung, die mir Rosalija Pawlowna gezeigt hat. Sie hat sie selbst auf ihrer Schreibmaschine getippt.
Verpflegung der Kinder, die am Unterricht teilnehmen werden.
Die Kinder haben ihre Lebensmittelkarten abzugeben, von denen nicht alle Marken abgeschnitten werden. Jedes Kind behält folgende Lebensmittel[marken]:
Fett – 200 g
Zucker – 300 g
Frühstück in der Schule
1. Brei. 2. Tee.
Mittagessen in der Schule
bestehend aus 2–3 Gerichten
Brotausgabe
Für Kinder bis 12 Jahre:
300 g in der Schule
100 g für zu Hause
Für Kinder über 12 Jahre:
400 g in der Schule
100 g für zu Hause
Tägliche Lebensmittelnorm für jedes Kind
Brot 400–500 g 113
Fleisch 50 g
Fett 50 g
Nährmittel 100 g
Zucker 30 g
Gemüse 100 g
Weizenmehl 20 g
Kartoffelmehl 20 g
Sojamilch 50 g
Tee pro Monat 10 g
Kaffee pro Monat 20 g
Kinder, die in der medizinischen Untersuchung als besonders schwach diagnostiziert wurden, erhalten zusätzliche Verpflegung.
Die Schulverwaltung
Was ist das? Wieder donnert die Flak. Ach ja, sie fliegen wieder, die Teufel. Hör nur, wie die Aasgeier kreischen.
Ach ja, der Unterricht wird nur aus Wiederholungen bestehen. Also: die Achtklässler werden den Stoff der siebten Klasse wiederholen, wir, die Neuntklässler, den Stoff der achten Klasse. Prüfungen wird es im Frühjahr nicht geben. Um ehrlich zu sein, das wird keine Schule, sondern eine Art Verpflegungsstation 114 für die Leningrader Schüler. Das laufende Schuljahr gilt als verloren. Richtigen Unterricht wird es erst wieder nach den Sommerferien geben. Ach, ich vergaß zu erwähnen: Heute traf ich auf dem Weg zur Kantine Wowka. Meinen Wowka. Wie er sich verändert hat. Er ist ganz ausgemergelt, völlig unterernährt, schrecklich. Im Moment befindet er sich in einer Verpflegungsstation. Er möchte
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