Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
Sneddon ein großer Fisch wurde; was ist mit Hammer Murphy? Gab es da auch eine Verbindung?«
»Nicht, dass ich wüsste. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Wie Sneddon ist Billy Dunbar ein wahrhaftiger ultraroyalistischer Protestant. Kontakt mit einem Katholiken hätte er nur über ein Rasiermesser aufgenommen.«
»Sie sagen, heute ist er sauber?«, fragte ich.
»Schon länger. Vor dem Krieg schon. Zumindest, was das Gefasstwerden angeht. Aber nach allem, was ich gehört habe, würde Billy Dunbar heutzutage nicht einmal einen Teeladen überfallen.«
Ich nickte und verscheuchte die Vorstellung maskierter Räuber, die mit zwanzig Pfund in Halfcrowns und einer Kiste Darjeeling die Flucht ergriffen. Mir kam jedoch der Gedanke, dass Glasgower Teeläden wahrscheinlich trotzdem überfallen wurden. Warum sollte es ihnen besser ergehen als allen anderen? Jedes Geschäft, bei dem Bargeld über den Ladentisch ging, wurde von den bewaffneten Banden der Stadt als vogelfrei erachtet. Ich hatte einmal einen ehemaligen Bankschalterangestellten kennengelernt, der Polizist geworden war und mir erklärt hatte, einer der Gründe für seinen Berufswechsel wäre die Tatsache gewesen, dass ein Polizist in Glasgow erheblich weniger Gefahr lief, in einen Revolverlauf blicken zu müssen, als ein Bankangestellter.
»Vielleicht hat er Glasgow sogar verlassen«, fuhr Ferguson fort. »Jemand hat mir erzählt, er würde jetzt irgendwo auf einem Landgut als Wildhüter oder so etwas arbeiten.«
»Das könnte er nicht tun, ohne dass er jemandem auffiele«, erwiderte ich. »Er wäre sicher der einzige Wildhüter mit einer abgesägten Schrotflinte. Sonst noch jemand, der mir vielleicht etwas sagen könnte, Jock?«
Brüllendes Gelächter von einem Haufen Arbeiter hinter uns vergrößerte den Lärm, und Jock erklärte mir mit einer Gebärde, er habe mich nicht verstanden.
»Was ist mit dem Zeugen, von dem Sie sprachen? Dem Fahrer?«
»Seinen Namen habe ich vergessen«, antwortete er seufzend. »Ich melde mich bei Ihnen. Aber wissen Sie was? Sie sollten mit Archie McClelland sprechen.« Ferguson meinte damit den pensionierten Polizisten, den ich als Verstärkung beim Schutz der Lohntransporte angeheuert hatte. »Archie war damals im aktiven Dienst. Ich habe keine Zweifel, dass er Ihnen einiges erzählen kann. So … Ich glaube, Sie schulden mir noch ein Glas.«
Mit einem resignierten Lächeln drehte ich mich Big Bob zu, der am anderen Ende der Theke stand, und schwenkte mein leeres Bierglas.
***
Zu meinem Termin mit Donald Fraser, dem Anwalt, kam ich pünktlich. Zu meiner Enttäuschung sah er mehr oder weniger so aus, wie ich ihn mir anhand seiner Stimme ausgemalt hatte: unscheinbar, aber streng. Er war groß und wirkte auf diese bestimmte Art farblos, auf die sich nur Anwälte und Bankdirektoren verstehen. Er trug einen teuren blauen Serge-Anzug, demonstrativ in einem Schnitt, der gerade außer Mode geraten war. Der Stoff war für diese Jahreszeit um einiges zu schwer, und die Ellbogen glänzten vom zu vielen Aufstützen auf der Schreibtischplatte. Wie seine Ellbogen wirkte auch seine Schädeldecke abgenutzt, und die Haut schimmerte durch das schüttere dunkle Haar. Die glänzenden stechenden Augen, die mich durch die Nickelbrille musterten, zeigten einen Ausdruck, von dem ich annahm, dass er überlegen oder einschüchternd wirken sollte. Das gelang ihm nicht. Fraser verbrauchte ein halbes Konversationslexikon, um mir einen Platz anzubieten. Ich setzte mich, nahm meinen Hut ab und hängte ihn mir aufs Knie.
»Ihr Name wurde zufällig von Mr. George Meldrum, einem Kollegen, erwähnt«, erklärte Fraser.
»Ich kenne Mr. Meldrum«, sagte ich, ohne hinzuzufügen, dass es mich überraschte zu hören, wie Fraser ihn als »Kollegen« bezeichnete. Von George Meldrum hatte jeder schon einmal gehört: Er war Glasgows schillerndster Strafverteidiger und hatte einige der bekanntesten Angehörigen der städtischen Unterwelt vertreten, wobei er als seinen wichtigsten Mandanten Willie Sneddon nennen durfte, einen der Drei Könige. Meldrum gehörte der Sorte öliger Fieslinge an, die jeden wie Dreck behandelten, solange man es ihnen durchgehen ließ; in Sneddons Gegenwart legte Meldrum dagegen eine Unterwürfigkeit an den Tag, die jedem Speichellecker mit einem Funken Selbstachtung zutiefst peinlich gewesen wäre.
»Ich bin für seine Empfehlung dankbar«, sagte ich, als meinte ich es so.
»Oh ja …« Frasers Ton deutete an, dass es weniger eine
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