Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
klarmachen sollte, wie sehr ich mich in meiner Würde verletzt fühlte. »Nein, Jock, nichts in der Richtung. Ich darf Ihnen nicht sagen, wer mein Klient ist, aber es ist keiner der Drei Könige und niemand, der auch nur annähernd so schillernd wäre.«
»Vertrauensverhältnis zum Klienten und so, was?« Ferguson schnaubte. »Sagen Sie mir einfach, dass es jemand ist, der uns nicht interessiert.«
»Sie können es mir glauben«, sagte ich mit einem, wie ich hoffte, entwaffnenden Lächeln. »Wenn Sie Akten zu meiner Auftraggeberschaft haben, dann nur, weil sie in der Nacht zu laut Jimmy Young gespielt haben.«
»Die Zwillinge?« Ferguson zog die Augenbrauen zusammen und versuchte, sich an ihre Namen zu erinnern. »Isa und Violet?«
Ich sah ihn ausdruckslos an. »Ich muss mich mit meinen Andeutungen wohl etwas bedeckter halten. Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Wenn Sie nicht für einen Ganoven arbeiten, muss es Familie sein. Und Joe Strachans Töchter sind die einzigen Angehörigen, denen er nicht scheißegal ist. Was daran liegt, dass sie das große Glück hatten, nicht mit Strachan als Vater aufwachsen zu müssen. Hören Sie, Lennox, ich warne Sie: Geben Sie den Fall ab, und zwar schnell! Was immer Strachans Töchter Ihnen zahlen, es ist zu wenig.«
»Wieso das große Drama?«
»Wegen eines toten Bullen – deshalb. Deshalb und weil der Name Joe Strachan eine Menge Echo hervorruft. Schlechtes Echo. Sie sind schon in der Vergangenheit mit Superintendent McNab zusammengestoßen …«
»Willie McNab? Das sollten Sie aber besser wissen! Er ist der Vorsitzende des Lennox-Klubs, aber in letzter Zeit reicht er einfach keine Fanpost mehr weiter.«
»Ja, ja … sehr komisch. Ich will Ihnen mal was sagen, Lennox: Wenn Superintendent McNab erfährt, dass Sie Ihre Nase in den Fall Strachan stecken, schneidet er Ihnen die Eier ab und trägt sie als Ohrringe.«
»Warum? Was ist sein besonderes Interesse?«
»Police Constable Charles Gourlay. Der junge Polizist, der von den Empire-Räubern niedergeschossen wurde. Sie kennen McNab, und Sie wissen, wie er reagiert, wenn Polizisten angegriffen oder getötet werden. Auge um Auge!«
»Sie meinen also, wenn wir schon bei den biblischen Vergleichen sind«, setzte ich fort, »sein Rachedurst lässt es so aussehen, als hätte Moses dem Pharao nur einen Klaps auf die Finger gegeben.«
»Ganz genau. Und Gourlay war nicht bloß irgendein Streifenbulle. Es war 1938, und Willie McNab war selbst noch ein junger Constable. Gourlay war ein Freund von ihm, ein Saufkumpan in der Freimaurerloge und beim Oranier-Orden und wer weiß wo noch. Willie McNab hat sich den Mord an Gourlay sehr zu Herzen genommen, und er hat es zu seiner persönlichen Angelegenheit gemacht, Strachan zu finden und zuzusehen, wie er an der Duke Street oder in Barlinnie durch die Klappe fällt. Jetzt, wo Strachan am Grund des Clydes gefunden wurde, findet Superintendent McNab, dass er und der Henker um ihre Chance gebracht worden sind, der Gerechtigkeit Genüge zu tun.«
»Aber vielleicht hat Strachan den Polizisten gar nicht abgeknallt. Vielleicht hat sein Mörder auch Strachan umgelegt.«
Fergusons Gesicht verfinsterte sich. »Hören Sie gut zu, Lennox, Sie und ich, wir haben im Krieg beide genug Scheiße erlebt. Wir wissen, wie es ist, wenn Menschenleben plötzlich nichts mehr wert sind. Aber reden Sie mir gegenüber nie wieder in diesem Ton über den Mord an einem Polizeibeamten! Niemand hat Gourlay ›abgeknallt‹. Er wurde in Ausübung seiner Pflicht kaltblütig von Abschaum ermordet, und dieser Abschaum wusste genau, dass Gourlay unbewaffnet war und sich nicht verteidigen konnte. Ich bin kein Willie McNab, aber meinen Kollegen gegenüber bin ich trotzdem loyal.«
»Okay, Jock – ich hab’s nicht so gemeint.« Ich hob die Hände. Dämlicher hätte ich mich nicht anstellen können. Die Glasgower Polizei war ein eingeschworener Haufen und reagierte sehr empfindlich, wenn einem von ihnen Leid geschah. Ob der Kollege Geld nahm, an der Flasche hing oder ehrlich war: Wenn er ein Glasgower Bulle war, stellte man sich erst einmal vor ihn und erwartete von ihm im Gegenzug das Gleiche.
»Aber Sie sehen doch, worauf ich hinauswill, oder, Jock? Vielleicht war Strachan nicht der Mörder.«
»Aber er war der Drahtzieher des Überfalls. Er hat ihn geplant, er hat die Leute ausgesucht, er hat den Raub angeführt. Er hatte das Sagen. Das ist zumindest Beihilfe während und nach der Tat. Seit dieser Constable
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