Lenobias Versprechen: Eine House of Night Story (German Edition)
Krankenkutsche abholen lassen. Hab keine Angst, es wird nicht lange dauern.« Sie richtete sich auf und sagte zum Bischof: »Euer Exzellenz, ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr bei dem Mädchen bleiben würdet.«
»Nein!«, stieß Lenobia im selben Atemzug aus, wie der Bischof »Natürlich« sagte.
Wieder legte die Äbtissin ihr die Hand auf die Stirn. »Ich komme bald zurück, Kind. Bis dahin wird Seine Exzellenz bei dir wachen.«
»Nein, Ehrwürdige Frau, bitte. Ich fühle mich schon besser. Ich kann lau-« Ihre Proteste wurden von einem weiteren Hustenanfall erstickt.
Die Äbtissin nickte betrübt. »Ja, ich sollte unbedingt die Kutsche schicken. Ich beeile mich.« Sie drehte sich um und eilte aus dem Stall. Lenobia war allein mit dem Bischof.
Neun
»Es gibt keinen Grund, so entsetzt zu blicken. Kranke Mädchen finde ich weit weniger erregend als trotzige.« Er spähte den Mittelgang zwischen den beiden Reihen von Boxen entlang, machte sich aber nicht die Mühe, ihn entlangzugehen. »Schon wieder Pferde. Die Materie scheint dir zu liegen. Vielleicht werde ich dir, wenn du erst meine Mätresse bist und dich sehr brav benimmst, eines kaufen.« Er wandte sich von dem dunklen Gang und den gedämpften Geräuschen der dösenden Pferde ab und trat zu den beiden Fackeln, die den Eingang flankierten. Sie brannten ruhig, sonderten aber eine Menge grauen Qualms ab.
Lenobia beobachtete ihn. Er betrachtete die Flamme einer der Fackeln mit unverkennbar liebevollem Blick, berührte sie mit den Fingern und ließ diese sogar durch die Flamme hindurchgleiten, woraufhin der Rauch wie ein Nebel um ihn wallte. »Das war es, weswegen ich mich zuerst zu dir hingezogen fühlte – wegen des Rauchs in deinen Augen.« Er drehte sich zu ihr um, von hinten vom Fackellicht umrahmt. »Doch das weißt du ja bereits. Frauen wie du ziehen die Männer mit voller Absicht an, so wie das Licht Motten. Auf diese Weise hast du mich ebenso angezogen wie diesen Sklaven auf dem Schiff.«
»Ich habe Euch nicht angezogen«, gab Lenobia zurück. Sie wollte nicht mit ihm über Martin sprechen.
»Oh doch, denn hier stehe ich ja offensichtlich.« Er breitete die Arme aus. »Und es gibt etwas, was ich klarstellen sollte. Ich teile das Meine nicht. Du bist mein, und ich werde dich nicht teilen. Also zieh nur keine weiteren Motten an, kleine Flamme, sonst werde ich sie wohl zerquetschen müssen – oder dich ersticken.«
Lenobia schüttelte den Kopf und sagte das Einzige, was ihr in den Sinn kam: »Ihr seid wahrlich nicht bei Trost. Ich gehöre nicht Euch. Ich werde niemals Euch gehören.«
Der Geistliche runzelte die Stirn. »Nun, dann verspreche ich dir, dass du auch niemandem sonst gehören wirst – nicht in diesem Leben.« Bedrohlich machte er einen Schritt auf sie zu, doch da wirbelte schwarzer Samt um ihn, und aus Rauch, Nacht und Schatten schien eine Gestalt hervorzutreten. Die Kapuze ihres Mantels fiel zurück, und überrascht hielt Lenobia den Atem an, denn sie erkannte das überirdisch schöne Gesicht der Vampyrin. Diese lächelte, hob die Hand und deutete mit ihrem langen Zeigefinger auf Lenobia. »Lenobia Whitehall! Die Nacht hat dich erwählt. Dein Tod wird deine Geburt sein. Die Nacht ruft dich; höre und gehorche Ihrer liebenden Stimme. Dein Schicksal erwartet dich im House of Night.«
Ihre Stirn durchzuckte ein greller Schmerz. Sie schlug sich beide Hände vors Gesicht. Sie wollte nur noch hier sitzen bleiben und sich einreden, dass die gesamte Nacht ein einziger Albtraum gewesen sei – ein unendlich langer, entsetzlicher Traum –, doch bei den nächsten Worten der Vampyrin hob sie den Kopf und blinzelte sich die grellen Punkte vor den Augen fort.
»Weiche von hier, Bischof. Du hast kein Anrecht auf diese Tochter der Nacht. Sie untersteht nun dem Schutz unserer aller Mutter, der Göttin Nyx.«
Das Gesicht des Bischofs wurde so scharlachrot wie das schwere Kreuz, das auf seiner Brust baumelte. »Du hast meine Pläne zunichtegemacht!«, schrie er sie wutschäumend an.
Die Vampyrin hob nicht die Stimme, dennoch war diese plötzlich voll befehlender Gewalt. »Weiche, Finsternis! Ich erkenne dich. Glaub nicht, du könntest dich vor jenen verbergen, die mit mehr als menschlichen Augen sehen. Weiche zurück!« Als sie den Befehl wiederholte, begannen die Flammen der Fackeln zu flackern und erloschen beinahe ganz.
Der Geistliche erbleichte. Mit einem letzten langen Blick auf Lenobia stolperte er rückwärts aus dem Stall und floh
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