Lenobias Versprechen: Eine House of Night Story (German Edition)
als sie wieder anfing zu weinen, waren es Tränen der Freude.
Acht
An jenem Abend des 21. März 1788, als die Sonne wie ein orangefarbener Feuerball im Meer versank, segelte die Minerva in den Hafen von Nouvelle-Orléans hinein.
Es war jener Abend, als Lenobia zu husten begann.
Sie fühlte sich krank, seit sie morgens in ihre Kabine zurückgekehrt war. Zuerst hatte sie geglaubt, es läge daran, dass sie Martin so ungern verließ und das kleine Zimmer, das ihr eine Zufluchtsstätte gewesen war, solange Schwester Marie Madeleine lebte, ihr nun eher wie ein Gefängnis erschien. Vom Frühstück konnte sie keinen Bissen essen. Als der Ruf »Land in Sicht!« erscholl und die Mädchen zögernd aus ihren Quartieren krochen und sich an Deck aneinanderdrängten, hatte Lenobia das Gefühl, ihr Gesicht glühte, und sie erstickte ihr Husten in ihrem Ärmel.
»Mesdemoiselles, gewöhnlich hätte ich Euch nicht in der Dunkelheit von Bord gebracht, doch angesichts der Tragödie, die Schwester Marie Madeleine widerfahren ist, halte ich es für das Beste, wenn Ihr so rasch wie möglich an Land und in die sichere Obhut des Ursulinenkonvents gelangt«, erklärte der Commodore den Mädchen. »Die Äbtissin ist mir wohlbekannt. Ich werde sie gleich aufsuchen, ihr von dem Verlust ihrer Schwester berichten und sie darauf vorbereiten, dass Ihr noch heute Abend an Land gehen werdet. Bitte nehmt nur Eure kleinen Reiseschatullen mit. Den Rest Eurer Sachen werde ich in den Konvent liefern lassen.« Er verneigte sich kurz und eilte zu der Seite des Decks, von wo aus das Boot zu Wasser gelassen werden würde.
In ihrem fiebrigen Zustand schien es Lenobia, als hörte sie wieder die Stimme ihrer Mutter, die sie dafür schalt, vor dem Kästchen zurückzuscheuen, als wäre es Céciles Sarg. Langsam begab sie sich mit den übrigen Mädchen nach unten. Auf unheimliche Weise war ihr, als sei die Stimme aus der Vergangenheit ein Omen für ihre Zukunft.
Nein! , schüttelte sie die Melancholie ab. Ich habe nur eine leichte Erkältung. Besser, ich denke an Martin. Er schmiedet gewiss bereits Pläne, wie wir Nouvelle-Orléans verlassen und weiter nach Westen ziehen können, an einen Ort, wo wir für immer zusammensein dürfen.
Nur dieser Gedanke trieb sie noch an, als sie sich zitternd und hustend zwischen Simonette und Colette, einem Mädchen mit langem dunklen Haar, in das kleine Boot setzte. Apathisch saß sie da und versuchte, die Energie für den winzigen letzten Rest der Reise aufzubringen. Ihr Blick glitt über die Ruderer hinweg – und wurde von olivfarbenen Augen aufgefangen, die Kraft und Liebe auszusenden schienen.
Sie musste einen freudigen Laut ausgestoßen haben, denn Simonette fragte: »Was ist, Lenobia?«
Mit frischer Kraft lächelte sie das Mädchen an. »Ich bin froh, dass die lange Reise vorbei ist, und gespannt auf das neue Kapitel meines Lebens.«
»Du klingst so überzeugt, dass es gut werden wird.«
»Ich bin überzeugt. Ich glaube, der nächste Teil meines Lebens wird der allerbeste werden«, gab Lenobia so laut zurück, dass Martin es hören musste.
Da begann das Ruderboot wild zu schaukeln, weil noch ein Passagier hineinkletterte. »Davon bin auch ich überzeugt.«
Die Kraft, die Martins Nähe ihr gab, verwandelte sich in Furcht und Abscheu, als der Bischof sich so dicht zu ihr setzte, dass seine purpurne Robe, die im schwülen Abendwind flatterte, fast ihre Röcke berührte. Stumm saß er da und starrte sie an.
Lenobia zog ihren Mantel aus seiner Reichweite, sah beiseite, achtete aber darauf, dass ihr Blick nicht zu Martin wanderte. Tief atmete sie das trübe, erdige Aroma des Hafens ein, in dem der große Fluss auf das Meer traf, und hoffte, die feuchtwarme Luft und der Geruch des Landes würden ihren Husten lindern.
Vergebens.
Die Äbtissin, Schwester Marie Thérèse, wartete bereits auf dem Kai. Sie war eine große, dünne Frau, die mit ihrem flatternden dunklen Habit irgendwie an eine Krähe erinnerte. Während der Commodore dem Bischof aus dem Boot half, reichten sie und zwei bleiche Nonnen, die aussahen, als hätten sie geweint, den Mädchen die Hand, die mit Hilfe der Matrosen auf den Kai kletterten. »Kommt, Mesdemoiselles«, sagte sie. »Nach dem Grauen, das unserer guten Schwester widerfahren ist, habt Ihr gewiss Ruhe nötig. Bei uns werdet Ihr sie finden.«
Als Lenobia an der Reihe war, das Boot zu verlassen, fühlte sie, wie vertraute starke Hände die ihren ergriffen, und er flüsterte: »Sei tapfer,
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