Lensmen 09 - Lensmen von Rigel
Mannequin-Pose eingenommen. Auf der polierten Metallhaut ihres Gesichts schimmerte das Licht in grellen, sternenhaften Reflexionen.
»So«, dachte Tregonsee, »wir haben also von Kallatra erfahren, daß die Phantomflotte keine astrale Projektion aus dem Grab ist. Worsels Sorge, daß hier ein neuer Angriff der Eichwoor vorliegen könnte, können wir ausschalten. Nadreck meint, es handele sich um eine Art Halluzinationseffekt, kann sich aber nicht erklären, wie davon Anzeigegeräte beeinflußt werden sollten – außer vielleicht durch eine Art ektoplasmischer Manipulation, für die aber weder Kallatra noch Worsel eine Erklärung wüßten. Nadreck nimmt nicht an, daß die Erscheinung aus dem N-Raum oder der Hyperdimension zu uns kommt. Unsere Schlußfolgerung: Hier wird eine neue Waffe entwickelt, und der M.I.S. und der reguläre S.I.S. sollten sich intensiv bemühen, mehr zu erfahren.«
Tregonsee schickte seine Gedanken mit starkem telepathischen Impuls, denn von den zwölf Anwesenden besaßen nur sechs eine Lens. Die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Lens-Träger Zweiter Ordnung erleichterten den geistigen Dialog ungemein, sogar für einen Neuling wie Cloudd. Da er nicht projizieren konnte, mußten die Gedanken ihm von Tregonsee gewissermaßen entzogen werden.
Cloudd fand die Szenerie unheimlich, vermochte er doch mit eigenen Augen nur jenen engen Raum zu sehen, in dem sich Strong, die Androidin Kallatra und er aufhielten. Die Kommunikation fiel ihm leicht, doch empfand er es zugleich als unangenehm, wenn andere ihm im Kopf herumstocherten. Was die Gesamtlage anging, so konnte er sie nur als bizarr einstufen, ein Gefühl, das er mannhaft zu unterdrücken suchte. Durch den Verstand der anderen vermochte er auf intellektuellem Wege die gesamte Gruppe als nebeligen Eindruck wahrzunehmen – mit Ausnahme Nadrecks, dessen Abteil eine undurchsichtige kalte Wolke bunter, giftig aussehender gasähnlicher Partikel war, durch die ab und zu ungeheure Schrecknisse sichtbar wurden. Strong hatte sich zu ihm gesellt, weil dieser große, ruhige Mann ihn für den Verwandten eines früheren Mitarbeiters hielt. Kallatra gab offen zu, daß sie seine Nähe gesucht hatte, weil Cloudd nach Angaben des Stützpunktpsychologen »Hilfe« brauchte. »Mein Gebiet ist die psychische Forschung«, meldete sich die monotone Stimme von einer Stelle unter ihrer Bluse, »aber zugleich bin ich Expertin für Prothesen. Aus offenkundigen Gründen.« Es folgte ein Geräusch, das er nach kurzer Verwirrung als Lachen identifizierte.
Mit Hilfe von Strongs Wahrnehmung beobachtete Cloudd, wie etwa fünf Patrouillenangehörige den Konferenzsaal betraten und durch die Verbindungsflure gingen. Sie sahen nicht gefährlich aus, doch spürte er, daß sie es irgendwie waren. Vor der Tür zu John Tsiens Box verweilten sie einen Moment lang. Dann ließ ihn Kallatras akustische Stimme zusammenfahren und die Vision verschwinden.
»Ihre Finger könnte ich wieder in Ordnung bringen«, sagte sie. Die selbstsichere Anmaßung der Androidin kränkte und irritierte ihn – vielleicht wegen der Stimme. Sie umfaßte mit überraschend biegsamen, menschlich aussehenden Metallfingern seine linke Hand und betrachtete kritisch die beiden Stümpfe. »Die Prothesen werden wie echte Finger aussehen, sich anfühlen und auch so funktionieren. Natürlich fleischfarben, nicht wie meine.« Auf ihrem totenmaskenähnlichen Gesicht zeigte sich kein Ausdruck, und ihre mechanische Stimme vermittelte keinerlei Gefühl. Taktvoll versuchte Cloudd den Gedanken abzuschirmen, doch zwang er sich zu der Erkenntnis, daß er dieses Ding wie eine Frau behandeln mußte und nicht wie eine Maschine. Ihre Gedankenwellen, wenn er sie dann mal fühlte, waren immerhin verführerisch und anziehend. Doch sobald sie ihn akustisch anredete, gingen ihm die modulationslosen technischen Laute auf die Nerven. Vielleicht hätte er ihren Anblick und ihre Berührung nicht so widerlich gefunden, wenn er Lens-Träger gewesen wäre. »Es ist ja so einfach«, fuhr sie fort. »Jeder Finger, den ich in meiner Werkstatt herstelle, ist ein funktionsfähiger Körperteil, als Ersatz kaum zu erkennen.« Als er keine Antwort gab, sein ganzes Denken von Zorn bestimmt, den er verzweifelt zu unterdrücken suchte, deutete sie seine Reaktion falsch. »Wenn Sie sich komisch vorkämen, so etwas zu tragen, könnten Sie es immer noch mit der teuren Phillips-Regenerations-Behandlung versuchen.« Er lehnte dankend ab.
Eine Sekunde lang
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