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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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Erfahrungen, die dir nicht weiterhelfen. Sie wollen sich nicht abfinden mit meiner Verfügung, sie erkennen sie nicht an – wir werden sehen, wer zum Schluß gewinnt; noch kann ich mich verteidigen, ich bin nicht mehr der alte, Bruno, aber verteidigen kann ich mich noch. Nach allem, was geschehen ist, wird es nie mehr so sein wie früher, wir haben wohl alle ein wenig Schuld angehäuft, und darum gibt es keine Rückkehr zu den Anfängen. Du mußt annehmen, was der Tag bringt, Bruno, wünsch dir nicht, daß alles leicht geht und ohne Widerstand geschieht.
    Ich soll unterschreiben, sage ich, die Verzichtserklärung, die soll ich unterschreiben. Nichts, Bruno, vorerst wirst du nichts unterschreiben; du wirst keinem etwas zugestehen oder versprechen, du wirst deine Arbeit tun wie immer, und sonst gar nichts. Hast du mich verstanden? Ja, ich werde nicht unterschreiben, auch wenn sie mich fortschicken. Es wird dich keiner fortschicken, nicht, solange ich hier bestimme, diese Angst brauchst du nicht zu haben, und jetzt komm her, komm näher, so, und gib mir die Hand. Ich kann mich doch auf dich verlassen, Bruno? Ja. Wir müssen jetzt zusammenhalten. Ja. Wenn ich bei dir klopfe, wirst du mir dann aufmachen? Immer. Gut, Bruno, ich werde bald vorbeikommen, ich war ja lange nicht mehr bei dir. Und nun mußt du wohl gehen.
    Er wird kommen, wird mir beistehen und alles ebnen, und wenn ich seine Anweisungen befolge, kann mir nichts passieren. Warum sieht er mir nicht nach, er hat sich schon weggedreht, kein Winken, er starrt auf die leere Tischplatte und brabbelt leise, sackt immer mehr zusammen und wischt jetzt über die Platte hin und seufzt und klagt; für ihn bin ich schon gegangen. Behutsam, ich darf ihn nicht aufschrecken, die schwere Tür schließt ganz leicht; also doch: der Norden des Landes von der Senke bis zu Lauritzens Wiese, unterschrieben und hinterlegt, also doch; es ist wahr, was sie erzählt haben.
    Max, das war er, ich hab ihn genau erkannt, sein Kopf, seine Schulter, er hat mich bestimmt gesucht, vielleicht hat er auch gehorcht, unten an der Treppe wird er mich erwarten, zu den andern bringen, nein, ich werde nicht unterschreiben, ich muß halten, was ich versprochen habe.
    Hier bist du, Bruno, wir dachten schon, dir geht es nicht gut; komm, trink deinen Tee. Wie sie mich mustern, taxieren, gerade so, als ob sie einen Verdacht gegen mich haben; nur Dorothea guckt besorgt, schiebt mir das Gebäck hin und nimmt selbst einen gezuckerten Stern zur Ermunterung. Es ist dein Lieblingsgebäck, Bruno. Das kracht und knirscht, gewiß hören sie den Lärm in meinem Kopf. Ich muß einen Schluck Tee nehmen, es geht, die Hand zittert kaum noch, auch beim Absetzen scheppert die Tasse nicht. Fortgehen muß ich nicht, das nicht; solange er hier bestimmt, kann ich bleiben. Einmal mußt du es zur Kenntnis nehmen, sagt Joachim, einmal mußt du erfahren, daß wir die letzten beiden Geschäftsjahre nicht gerade zufriedenstellend abgeschlossen haben, es gibt so verschiedene Ursachen dafür, vielleicht sind dir sogar einige bekannt, jedenfalls mußt du wissen, daß es nicht so weitergehen kann wie bisher. Wir müssen an den Haushaltungskosten sparen. Wir müssen an den Maschinen sparen. Auch an Leuten müssen wir sparen. Ich hoffe, Bruno, du hast mich verstanden. Wie ernst er das sagt, sein Blick läßt mich nicht los, er will mich verwarnen und etwas von mir hören, aber ich hab ihm nichts zu sagen.
    Begreifst du, daß wir jetzt alle Verantwortung tragen? Ja, sage ich. Ist dir klar, daß auch du deinen Beitrag leisten mußt, fragt er. Ja, sage ich, und ich will es nicht, doch ich sage: Die Verzichtserklärung, die kann ich nicht unterschreiben.
    Das hätte ich wohl nicht sagen sollen. Joachim schüttelt nur den Kopf, wie er immer den Kopf über mich schüttelt, sicher möchte er am liebsten weggehen, und Max schnalzt mit der Zunge und verdreht die Augen, nur Murwitz regt sich nicht, guckt mich nur an und regt sich nicht: Hoffentlich sind Sie sich bewußt, was Sie mit diesem Entschluß auf sich nehmen, Herr Messmer, sagt er so langsam, als sollte jedes Wort mitgeschrieben werden, und Max setzt gleich nach: Gut, Bruno, jetzt wissen wir, auf welcher Seite du stehst, aber wundere dich nicht, wenn sich hier nun einiges verändert, du selbst hast es nicht anders gewollt. Bitte, sagt Dorothea, bitte, ihr sollt Bruno nicht so zusetzen.
    Aufstehen, jetzt kann ich wohl gehen, wenn ich nur erst draußen wäre oder bei mir. Ina bewegt die

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