Lenz, Siegfried
die Sachen des Chefs noch nie so schmutzig waren wie in der letzten Zeit, sein Hemd ebenso wie das Geschirr auf seinem Zimmer und an einem Morgen sogar sein Bettlaken, aber Magda hat nicht gesagt, daß der Chef krank ist, höchstens alterskrank, hat sie gesagt. Geistesschwäche – wer sich das bloß ausgedacht hat? Ich werde alles so machen, wie er es haben will: zuhören und abwarten und nichts unterschreiben, nichts.
Da ist wieder dieses Auto, wie langsam es den Hauptweg hinaufrollt, wie die Lichtbündel der Scheinwerfer über die Kulturen hinweg schwenken, über die Festung huschen und auf den Rosenbeeten des Chefs liegen bleiben, kann sein, daß Magda nach Hause kommt. Ja, sie ist es, allein, also hat sie Lisbeth im Krankenhaus gelassen, sie geht schnell durch das Lichtbündel, ihr langgezogener Schatten auf der Terrasse, bestimmt will sie noch berichten, bevor sie zu mir kommt. Wenn es ihr nur möglich ist, wird sie mir etwas zu essen bringen, aber ich werde nicht traurig sein, wenn sie ohne ein Päckchen, ohne ihren Korb vor meiner Tür steht.
Wir werden die Rollos nicht herunterziehen. Wir werden im Mondlicht sitzen. Zuerst wird sie von Lisbeth erzählen, und dann werde ich vom Chef erzählen und von allem anderen. Und wenn alles gesagt ist, werden wir uns hinlegen. Wetten, wer als erster einschläft, das brauchen wir nicht, weil es ihr immer gelingt, als erste einzuschlafen. Ihre Holzperlenkette, die muß sie zum Schlafen abnehmen. Klopfen, heute braucht sie nicht siebenmal zu klopfen, ich werde warten, bis sie hinter den Rhododendren hervorkommt, und wenn sie die Hand hebt zum ersten Schlag, werde ich ganz rasch öffnen und sie zu mir hereinziehen.
Nein, nein, Ewaldsen, ich habe nicht verschlafen, ich hatte nur eine Besprechung mit dem Chef, und auch mit den anderen gab es etwas zu klären, außerdem mußte ich gerade etwas abliefern auf der Festung, das alles hat Zeit genommen, mußte überdacht werden, aber nun bin ich soweit, ich komm schon. Die Schattenhalle, gehen wir zur großen Schattenhalle, um mal wieder die Netze nachzuspannen. Wie es dem Chef geht? Wie soll es ihm gehen, der hat immer seine Pläne, in seinem Alter muß man allerhand regeln, aber bald wird er wieder in den Quartieren auftauchen, das glaube ich. Dann is ja man gut. Bestimmt weiß er etwas und denkt sich sein Teil, denn wer so wegsieht und für sich lächelt, der hat sich längst aus Gehörtem seine eigene Meinung gemacht, und gehört haben sie hier wohl alle etwas. Nimm du die andere Seite, Bruno, ich bleib hier, sagt Ewaldsen und brennt sich erst mal seine geflickte Stummelpfeife an.
Daß wir hier eine Schattenhalle brauchten, das hatte der Chef auch schon so manches Mal gesagt, wenn wir unsere sonntäglichen Prüfungsgänge machten, aber hochgezogen wurde sie erst, als Guntram Glaser bei uns war, er, der sofort erkannte, daß die jungen Schatten- und Halbschattenpflanzen vor dem harten Lichteinfall geschützt werden müßten, und der auch wußte, daß die Halle gut ist als Überwinterungsfläche. Die Halle, die bauen Bruno und ich, hat er gesagt, und danach reichte er mir auch schon die Axt, schulterte selbst die kleine Motorsäge, und ohne uns breit zu besprechen, zogen wir zum Dänenwäldchen, wo wir acht Stämme schlugen, die als Pfeiler dienen sollten, und dazu Gestänge für die Seiten. Wie genau er den Fall der Bäume berechnen konnte; er ging nur einmal um den Stamm herum, suchte die günstigste Sturzlücke, nahm Augenmaß, und dann krachte der Baum dorthin, wo er ihn liegen haben wollte. Als wir die Pfeiler richteten, kreuzte Joachim bei uns auf, er grüßte wortlos, stand nur herum und sah zu, ohne etwas anzufassen, aber seinen Rat, den mußte er wohl loswerden, und nachdem er uns lange genug zugeguckt hatte, schlug er vor, die Halle mit Spalierlatten zu decken oder einfach mit Fichtenreisig, aber Guntram Glaser nahm den Vorschlag nicht an. Aus Schleswig hatte er längst etwas Besseres besorgt, von den Soldaten dort hatte er ein ausgedientes Tarnnetz erworben, das lag schon im Gerätehaus, ein erdfarbenes Netz, unter dem sie einst Kanonen und Panzer versteckt hatten, und das groß genug war, um die ganze Halle zu decken und den empfindlichen Jungpflanzen den nötigen Schatten zu geben. Joachim sagte da nichts mehr und ging weg, doch als wir das Netz über die miteinander verbundenen Pfeiler brachten und es auszogen und spannten, kam er mit dem Chef zurück und gab uns gleich zu überlegen, ob Spalierlatten oder
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