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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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Lippen, doch ich verstehe nicht, was sie sagt, ach, Ina, rückwärts bis zur geöffneten Schiebetür, wie freundlich Dorothea mir zunickt. Bruno? Ja. Vergiß die Geschenke nicht, ruft Max, die Eicheln und das andere, was du noch bei dir finden wirst, wir warten darauf. Ja, sage ich, schon unter dem Vater des Chefs, der schuldbewußt aus seinem Rahmen guckt, sein Bild ist noch nie heruntergefallen wie das andere, er muß die Apfelschale bewachen, den Eingang.
    Ich könnte helfen, den Fortbestand der Hollenhusener Quartiere zu sichern, das hat Murwitz gesagt, Bruno braucht nur die Verzichtserklärung zu unterschreiben, aber der Chef will nicht, daß ich es tue, und er weiß besser als jeder andere, wie der Fortbestand gesichert werden muß. So hat er mir noch kein Versprechen abgenommen, mit diesem Ernst, mit dieser Dringlichkeit, ich spür noch den Druck seiner Hand, ich seh noch seine eisblauen Augen; er kann sich auf mich verlassen, das kann er. Es sind meine eigenen Schritte, ich brauch nur stehenzubleiben, dann ist es still, nein, es ist keiner hinter mir her. Er hat das Licht gelöscht, vermutlich sitzt der Chef im Dunkeln, um ruhig über alles nachzudenken. Rauch ist in der Luft; immer wenn ein sanfter Wind vom Land kommt, riecht es nach Rauch. Wir müssen zusammenhalten, hat der Chef gesagt, und er hat gesagt, daß er mich besuchen wird.
    Heute will ich lieber kein Licht machen, ich rück mir den Sessel vors Fenster, dann kann ich den Weg übersehen, auf dem Magda kommen wird, und wenn die langsamen Wolken den Mond freigeben, kann ich die älteren Quartiere erkennen, meine Quartiere, denn nach seinem Willen soll mir dies Stück bis zum Bahndamm gehören, alles, was der Mond aufhellt. Ob ich mir überhaupt zutraue, das Land zu bewirtschaften – das hat Max gefragt, Max, dem ich bestimmt erzählt habe, daß ich Maschinen und technische Geräte nicht bedienen darf und auch nicht dabei bin, wenn Pflanzpläne aufgestellt werden, ich möchte nur mal wissen, warum er mich das vor den anderen gefragt hat. Das größte Zutrauen zu mir selbst hab ich immer dann, wenn der Chef in meiner Nähe ist; arbeite ich mit ihm zusammen oder unter seinen Augen, dann gelingt mir mehr als sonst.
    Einmal wollte der Chef wohl herausbekommen, wieviel ich bei ihm gelernt hatte, wir machten einen Gang durch die Obstgehölze, einen sonntäglichen Prüfungsgang, für mich gab es dabei wenig zu sagen, aber es machte einfach Freude, neben ihm herzugehen und ihm zuzuhören. Wir prüften die Triebspitzen, die Biegsamkeit der Zweige und die Seitenknospen, und unvermutet fragte er mich, was es bedeutet, wenn sich an den Ästen Geschwülste zeigen, Furchen oder Verdrehungen, und ich sagte, daß es dann wohl die Rillenkrankheit sei; da sah er mich nur überrascht an. Gleich darauf fragte er mich, was denn aber frühzeitige Herbstfärbung zu sagen hat und übereilter Austrieb von Seitenknospen, und ich wußte gleich, daß es der Besenwuchs war, und sagte es ihm. Gestaunt hat er da noch nicht, aber als ich ihm bewies, daß ich auch über die Gummiholzkrankheit Bescheid wußte und über die Steinfrüchtigkeit, bei der besonders Birnen Dellen und Beulen zeigen, da hat er ganz schön gestaunt und gesagt: Eines Tages, Bruno, gibt es hier für dich nichts mehr zu lernen. Und abends beim Essen hat er noch einmal gesagt: Unserm Bruno kann hier bald niemand mehr etwas vormachen, der kennt sich sogar in den Viruskrankheiten aus.
    Ewaldsen, der würde mir vielleicht helfen, das Land zu bewirtschaften, und auch Elef und seine Leute würden das tun, gewiß wären auch noch manche in Hollenhusen bereit, nach meinen Anweisungen zu arbeiten, aber wer alles im Büro machen soll, das weiß ich nicht, und erst im Büro wird errechnet, wieviel die Quartiere wert sind. Der Chef brauchte nicht einmal einen Bestandszähler, der schätzte einfach in der Vegetationsperiode die Zahl der Pflanzen, die gut waren zum Verkauf, und seine Schätzungen waren immer richtig und wurden im Büro aufgehoben; wenn er sie später verglich, konnte er gleich sehen, welche Kulturen auf welchem Stück einmal angebaut worden waren und wo die Gefahr von Bodenmüdigkeit bestand. Oft genug hat er im Büro entschieden, was draußen gemacht werden sollte.
    Krank, warum sagen sie mir nur, daß er krank ist und mitunter nicht mehr erkennt, was er tut? Einmal hat sich Dorothea bei Ina beklagt, daß der Chef sich immer mehr vernachlässigt, Magda hat das genau gehört, und sie hat auch bestätigt, daß

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