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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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seinen Blicken nicht loskam von dir, weil du ihm ganz fremd erschienst, fremd und schön.
    Ja, Ewaldsen, ich bin fertig, auf meiner Seite habe ich das Netz nachgespannt, so kann sie sich wieder sehen lassen, unsere Schattenhalle.
    Das Brummen, das tiefe anschwellende Brummen, das über den Horizont heraufkommt, als ob hundert starke Motoren laufen, so hört es sich an. Siehst du, Bruno, da, Richtung Schleswig? Ja, jetzt sehe ich sie, es sind Flugzeuge. Manöver, sagt Ewaldsen, es gibt hier große Manöver, letzte Nacht fuhren einige Panzer durch Hollenhusen, das ganze Haus zitterte, aber hier habt ihr wohl nichts davon gemerkt.
    Wie gleichmäßig sie anfliegen, die schweren dunklen Flugzeuge, gegen den Wind kommen sie näher, zerfetzte Wolken bleiben hinter ihnen zurück, blitzend springt Sonnenlicht von den Kanzeln ab. Sie fliegen nicht sehr hoch, es sind bestimmt fünfzehn Flugzeuge, ein paar haben einen doppelten schlanken Rumpf, und ihr Körper in der Mitte, der sieht aus wie eine plumpe Zigarre. Wo die wohl alle hinwollen, sagt Ewaldsen, und er sagt: Uns jedenfalls erkennen sie nicht unter dem Tarnnetz. Über der Holle, über Lauritzens Wiesen, nein, jetzt schon über dem Erlenhof, und das Brummen ist auf einmal schwächer, und aus dem letzten Flugzeug fällt etwas heraus und wird schräg fortgerissen, aus allen Flugzeugen fällt und stürzt es heraus und wird schräg fortgerissen, und das, was hinter den schwarzen Punkten herschlappt, geht weiß auf und öffnet sich. Fallschirme, sieh mal, das sind alles Fallschirme. Der ganze Himmel ist gesprenkelt, das pendelt und treibt vor dem Wind, das kreiselt und schwebt zur Erde – eine Pusteblume, eine riesige Pusteblume hat nach einer plötzlichen Böe ihre Samen entlassen, die an weißen Fallschirmen umherschweben. Schwere Kisten fallen aus den Flugzeugen heraus, plumpe Behälter, über denen gleich zwei oder sogar drei Fallschirme aufgehen, mehrfarbige Schirme, auch sie treiben vor dem Wind zu uns herüber, obwohl sie nicht so stark pendeln wie die Körper, die jetzt Arme und Beine bekommen: wie sie rudern und strampeln und schlingern, um ihren Fall zu steuern, wie sie schaukeln und rucken in ihren Seilen, nur, um schneller und genauer zu landen, auf einem Stück, das sie wohl im Auge haben. Die haben sich verschätzt, ruft Ewaldsen, der Wind wirft sie uns in die Quartiere.
    Der Himmel hängt noch voll, ein paar treiben so stetig, daß sie wohl an der Küste landen werden, aber die ersten, die gehen schon nieder, sie fallen auf unser Land, überkugeln sich auf den Mutterbeeten, verheddern sich in Schnurbäumen, Buschbäumen, bis zuletzt langt der Wind unter ihre Schirme, bläht sie auf und wellt sie, und die Männer reißen den widerspenstigen Stoff an sich, sammeln und werfen sich auf ihn, gerade so, als müßten sie etwas Lebendiges bezwingen. Was da knackt und bricht und umgerissen wird in den einjährigen Quartieren, in den Birnen plumpsen sie herunter, es wirft sie in die Schattenmorellen und in die Apfelveredelung, von überallher kommen ihre Rufe, Verständigungsrufe, Erleichterungsrufe, und jetzt schlägt eine der schweren Kisten auf, rums, mitten ins Beerenobst. Da, Bruno, da, einer hängt in den Kiefern. Ich muß den Chef holen. Er muß kommen. Runter, zieh den Kopf ein, schreit Ewaldsen; der Luftzug, der Schatten: da ist einer der großen Behälter, hart knallt er auf, reißt ein Loch in die jungen Rhododendronpflanzen und wird fortgeschleift an den Schirmen und klemmt sich am Wasserkasten fest. Wir müssen den Chef holen, sage ich, und Ewaldsen darauf: Der hat’s längst mitbekommen, der wird gleich hier sein.
    Auf den schmalen Transportwegen zwischen den Quartieren sammeln sie sich, immer mehr Soldaten kommen angerannt, hier und da öffnen sie schon Behälter, heben Waffen heraus, Geräte, ein Geschütz auf Gummirädern, anscheinend brauchen sie gar nicht mehr auszukundschaften, wo sie sind, ihr Offizier zeigt ihnen nur eine Richtung an, und in kleinen Gruppen traben sie in den Schutz unserer Quartiere. Zwei baumeln in den alten Kiefern, strampeln und versuchen, runterzukommen, auch auf Lauritzens Wiesen gehen einige nieder, bestimmt wird der eine oder andere in der Holle landen, das möchte ich annehmen. Die haben uns erobert, sagt Ewaldsen und lacht und steckt sich seine Stummelpfeife an. Und er zeigt auf einen Fallschirm, den ein Soldat mühsam birgt, und sagt: Beste Qualität, Seide, daraus könnte man was Gutes nähen. Hinter dem Findling kauern

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