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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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ein paar und in der Deckung meiner Mauer, sie sind schwer zu erkennen in ihren gefleckten Uniformen, in den Quartieren kann man sie überhaupt nicht ausmachen, da errät man sie nur an der schnellenden Bewegung der jungen Bäume. Tim und Tobias, meine Plagegeister, sind natürlich als erste da, wo etwas los ist, da sind sie zur Stelle, schleichen schon einigen Soldaten hinterher, gehen geduckt und wichtigtuerisch und machen ihnen alles nach – aber die Flugzeuge sehen sie nicht mehr, die sind längst fort. Komm, Bruno, schnell, sagt Ewaldsen, er zieht mich einfach mit, dorthin, wo die Transportwege auf einen Hauptweg hinausgehen, zu den versammelten Soldaten, die ihren Offizier umringen und sich wohl einweisen lassen und Trupp nach Trupp verschwinden. Er möchte dabeisein, Ewaldsen will mithören, was Joachim zu sagen hat, der ein ganzes Stück gelaufen ist, nun aber ein wenig gehemmt auf die Soldaten zugeht und wartet, bis der Offizier wieder ein paar losgeschickt hat.
    Sie geben sich die Hand, sie nennen ihre Namen. Joachim fragt: Sind Sie der befehlshabende Offizier?, worauf der Soldat nur nickt und zum Himmel zeigt und eine Geste der Hilflosigkeit macht, so als wollte er sagen, daß auf die Winde da oben kein Verlaß sei; dann deutet er über die Quartiere und bedauert die Schäden, die entstanden sind. Er sagt: Unser Landeziel waren die Wiesen, aber der Wind drückte uns hier herüber, und er sagt gleich hinterher: Alle Schäden werden geregelt, schnell, unbürokratisch, innerhalb von acht Tagen ist alles in Ordnung gebracht.
    Ein Maschinengewehr, an meiner Mauer schießt ein Maschinengewehr, wie trocken sich die Stöße anhören, und von weither, Richtung Erlenhof, ein dumpfer Knall: vielleicht eine Kanone, eine Panzerkanone. Entschuldigen Sie mich, sagt der junge Offizier und dreht sich weg und will in den Quartieren verschwinden mit dem Rest seiner Soldaten, aber er kommt nicht weit, ein Anruf hält ihn zurück, ein knapper Befehl des Chefs: Warten Sie.
    Da steht der Chef, unrasiert, in dreckigen Stiefeln, er hat eine Wolljacke an, die er verkehrt zugeknöpft hat, den Feldspaten, den er hält, hat er gewiß unterwegs aufgehoben. Der Offizier entschuldigt sich, er bleibt stehen und entschuldigt sich und wiederholt, was er Joachim gesagt hat: daß ein Gutachter erscheinen wird, der alle Schäden schnell und unbürokratisch regelt, daß der Wind schuld ist an den Verwüstungen. Ich brauche Ihren Namen, sagt der Chef, und ich brauche Nummer und Standort Ihrer Einheit. Das Maschinengewehr feuert, der Offizier schaut einmal zur Mauer hinüber und blickt dann den Chef an, der ruhig und fordernd dasteht, und ohne ein weiteres Wort sucht der Offizier in seiner Ledertasche nach einem Zettel und schreibt auf, was von ihm verlangt wird, und hält es stumm Joachim hin, doch der Chef nimmt ihm den Zettel aus der Hand und fragt: Wie gedenken Sie wieder gutzumachen, was Ihre Leute hier angerichtet haben?
    Dem Offizier ist anzusehen, daß er es eilig hat, er muß zu seinen Soldaten, gewiß will er mit ihnen angreifen und gewinnen, doch die Unnachgiebigkeit des Chefs hält ihn zurück. Sind Sie der Besitzer, fragt er, und der Chef antwortet: So ist es, und darum möchte ich wissen, wie Sie Schadenersatzansprüche grundsätzlich behandeln, Sie oder Ihr Gutachter. Nach allem, was ich weiß, pauschal und großzügig, sagt der Offizier und glaubt wohl, den Chef mit dieser Auskunft zufriedengestellt zu haben, denn er hebt grüßend die Hand und will sich schon wieder abwenden, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil Joachim ihm sein Einverständnis zu erkennen gibt und feststellt: Das geht sicher in Ordnung.
    Nein, sagt der Chef entschieden, das geht nicht in Ordnung, eine pauschale Regelung kommt nicht in Frage, nicht bei mir. Wir werden die Schäden aufnehmen, jeden Schaden einzeln, wir werden zusammenzählen, was Sie und Ihre Leute hier angerichtet haben, und wenn der Gutachter erscheint, wird er eine spezifizierte Rechnung bekommen, das wird er. Nach allem, was man mit uns gemacht hat, haben wir keine andere Wahl. Der Offizier nickt und dreht sich um und verschwindet mit den letzten noch wartenden Soldaten, und bevor Joachim etwas sagen kann, hat der Chef Ewaldsen zu sich gewinkt, sie treten ins Birnenquartier, sie zeigen sich da etwas und bereden sich, hämmern gegen einen metallenen Behälter, befingern Stämme und Astwerk und blicken vom Weg aus über die beschädigten Mutterbeete. Das läßt sich doch nicht machen, sagt

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