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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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Stellfläche viel besser ausnutzen läßt mit viereckigen Töpfen. Fragen hat der. Eine Pflanzmaschine. Ja? Ich hab mir eure Pflanzmaschine angesehn, da sitzen gleich drei Mann nebeneinander und pflanzen. Die Zeit, als wir noch mit Pflanzhacke und Keilspaten arbeiteten, die ist vorbei. Ob es denn nicht auch eine Maschine zum Topfen gibt, fragt er, die könnte doch bestimmt mehr schaffen als ich mit der Hand. Nein, die Maschine schafft nicht viel mehr, das haben wir ausprobiert: der Chef ließ einige von uns im Akkord mit der Hand topfen, und zum Vergleich ließ er nebenan die Maschine arbeiten – wir haben nur ganz knapp verloren. Das hätte ich nicht geglaubt, sagt er.
    Wie er das Substrat beäugt, einen Topf berührt, wie er über meinen Arbeitstisch hinsieht: gewiß will er mir zu verstehen geben, daß ihm alles hier Eindruck macht. Er ist es, er ist es bestimmt, den sie zu uns herausgeschickt haben, um ein Gutachten über den Chef anzufertigen, vermutlich versucht er zuerst, uns auszufragen. Da kann man nur stehn und bewundern, was Herr Zeller alles gedeihen läßt auf seinem Land – gedeihen sagt er tatsächlich. Ihm kann keiner etwas vormachen, sage ich, ein Blick genügt ihm, und er weiß Bescheid, außerdem kennt er die Geheimsprache. Welche Geheimsprache, fragt der Lächler, fragt er erstaunt, ganz so, wie ich es erwartet habe, vor mir kann er seine Hintergedanken nicht verbergen, wer mich über den Chef ausfragen will, der muß schon früher aufstehn. Also welche Geheimsprache? Was soll ich ihm auftischen, wie kann ich ihn bedienen, jedenfalls darf ich ihn nicht angucken, sondern muß weiter topfen und alles nebenher sagen.
    Das ist so, sage ich, Herr Zeller ist der einzige, mit dem sich unsere Pflanzen und Bäume unterhalten, ich hab es selbst erlebt, etliche Male, er hört im Vorübergehn, was sie zu sagen haben, und nimmt es auf und tut, worum sie ihn bitten. Hört er vielleicht Stimmen, fragt der Lächler. Einmal, sage ich, als wir gemeinsam bei vollkommener Windstille durch die Quartiere gingen, da fing es in den Birnen an zu rascheln, sie raschelten mit ihren kaum entfalteten Blättern, die aber schon gekräuselt waren und verkrüppelt, und Herr Zeller hörte genau zu und nahm einige Blätter in die Hand und sagte zu mir: Tatsächlich, Bruno, sie klagen mir vor, daß sich Weichhautmilben bei ihnen angesaugt haben, da helfen nur Akarazide. Oder ein andermal, sage ich, da blieb er plötzlich stehen und lauschte, nicht anders, wie man auf einen Anruf stehenbleibt und lauscht, ich konnte nichts vernehmen, er aber nickte und ging zu den Hochstämmigen, und als ich zu ihm trat, glaubte ich es auch zu hören, doch ich verstand es nicht – das ganz leise Scharren und Knacken verstand ich nicht. Die Stämme, ob Sie es glauben oder nicht, machten Herrn Zeller auf winzige Spuren von Wachswolle aufmerksam, das ist das Zeug, das die Woll- und Schmierläuse ausscheiden; schon kannten wir die Gefahr, und der Chef ließ gleich Propoxur besorgen.
    Nur weil er die Geheimsprache beherrscht, sage ich, kann er so viel bewirken. Glaube ich unbedingt, sagt der Lächler, und tut so, als ob er nachdenkt, und beleckt seine Lippen. Könnte es auch sein, fragt er, daß eure Pflanzen und Bäume ihn erkennen, wenn er vorbeigeht? Ganz bestimmt, dafür gibt es Beweise. Glaub ich, sagt er, glaub ich gern, anders wären ja gewisse Resultate nicht zu erklären.
    Er guckt auf seine Uhr, hoffentlich läßt er mich bald allein, falls er noch mehr wissen möchte, soll er sich doch mal an Ewaldsen wenden, der für Fremde höchstens drei Wörter übrig hat. Ich hab da noch eine Frage, sagt er: Diese Geheimsprache, ist die zufällig schon gedruckt? Was meint er damit? Wenn ich nur wüßte, was er jetzt im Sinn hat, aber er will die Antwort wohl gar nicht hören, er grinst nur und grüßt und schlendert davon – vermutlich hat er nicht ernst genommen, was ich ihm erzählt habe.
    Max, das ist Max, der ihm zuwinkt, ich würde mich nicht wundern, wenn die sich erst einmal bereden, bevor der Lächler in die Festung geht; vielleicht wird jetzt die Geschichte von der Geheimsprache weitererzählt werden, mir ist es gleichgültig, was sie von ihr halten, ob sie sie glauben oder nicht – für den Chef könnte ich noch ganz andere Geschichten erfinden, für ihn könnte ich alles tun. Er wird gewinnen, das weiß ich, denn ihm kann keiner das Wasser reichen, er hat uns schon oft über das Schlimmste gebracht. Die Ausfälle beim großen Frost. Der Tod

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