Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
Vom Netzwerk:
einem Tag verlor: Wirklich, Bruno, dir kann man nur Sachen schenken mit einem Stück Schnur dran, und dann gleich alles festbinden und verknoten. Und sie sagte auch: Wer soviel verliert wie du, mit dem kann etwas nicht stimmen.

Schnell zum Bahnhof, zur Bahnhofswirtschaft, wo kalte Frikadellen auf mich warten, schön getürmt unter einer Glasglocke, in einer Viertelstunde kann ich zurück sein, zwei Frikadellen und eine Zitronenbrause. Ewaldsen wird gar nicht merken, daß ich fort war, er, der sich immer eine Weile in den Schatten legt, sobald er seine Stullenpakete gegessen und das Pergamentpapier zusammengelegt hat. Es war nicht genug, was Lisbeth mir zugeteilt hat, bei Kochfisch gibt es immer nur ein Stück, doch Kochfisch weckt erst richtig meinen Hunger, ich weiß auch nicht, warum. Die blasse Frau hinter dem Tresen wartet meine Bestellung erst gar nicht ab, sie weiß gleich, was ich will, schon bei meinem Eintritt hebt sie die Glasglocke von den Bratklopsen ab und lächelt mir zu und öffnet eine Zitronenbrause. Wenn es hier nur nicht so nach kaltem Rauch und Lysol riechen würde.
    Da sitzt einer, diesmal bin ich nicht allein, da unter dem Bord, auf dem die Wimpel des Hollenhusener Sparvereins einstauben, sitzt einer in zerknitterter Jacke und trinkt sein Bier, Elef, wenn das man nicht Elef ist, seine Schirmmütze ist es jedenfalls, die dort auf dem Nebenstuhl hängt. Jetzt hat er auch mich erkannt, ah, Herr Bruno, seine Verbeugung, sein Schnurrbart, die Anfrage, die in seinem Gruß liegt, ja, komm schon, sage ich, komm schon, wie sicher er das Bierglas balanciert, aus dem er kaum getrunken hat. Ach, Herr Bruno. Also Fraus Schwester kommt mit dem Zug und Fraus Vater kommt auch, sie werden wohnen im großen Holzhaus, beide sind schon älter, sitzen viel auf dem Stuhl, brauchen wenig Platz; wenn der Chef wünscht, können beide auch arbeiten, haben immer auf dem Land gearbeitet, altes, gelbes Land, aber zu trocken. Warum muß er mir nach jedem Bissen zunicken, warum freut er sich so, nein, ich nehme keine Zigarette, will auch nicht zum Bier eingeladen werden, denn ich muß gleich wieder fort, Elef, viel Arbeit.
    Ich möchte mal wissen, was Duus hier sucht, der Polizist, möchte wissen, weshalb er so lange am Eingang steht und über die leeren Tische der Bahnhofswirtschaft blickt, er muß doch wohl erkennen, daß nur wir beide hier sitzen, ich und Elef. Wie er sich bewegt, man sieht bei ihm gar nicht, wie Schritte entstehen, müde und grämlich schleift er zu uns heran, ohne angekündigtes Interesse. Ob ich mal die Papiere sehen darf, fragt er nicht mich, sondern Elef, der sofort aufsteht und sich verbeugt und in seiner zerknitterten Jacke grabbelt, eine Brusttasche durchsucht, die andere Brusttasche durchsucht, jetzt hat er sie gefunden, die verlappte Brieftasche aus Kunstleder, und hält sie Duus hin, der sie aber nicht in die Hand nimmt, obwohl Elef freundlich sagt: Sehr zu bitten.
    Wie schnell Elef begreift, daß Duus die Brieftasche nicht berühren möchte, nur Arbeitsbescheinigung und Aufenthaltsgenehmigung prüfen will, eifrig beginnt er zu fingern, zieht einen Zeitungsausschnitt hervor, den er auf den Tisch legt, zieht einen zerkodderten fremden Geldschein hervor, den er auf den Tisch legt, er atmet schneller, jetzt fischt er einen trockenen, schon krümelnden Zweig eines Lebensbaumes heraus, der wird wohl ebensowenig als Ausweis anerkannt wie das Paßphoto eines jungen schwarzhaarigen Mädchens; aber hier, sagt Elef, sehr zu bitten, und er reicht Duus ein gestempeltes Papier.
    Das Papier ist gut, Duus liest es und gibt es nickend zurück, doch etwas fehlt noch, die Arbeitsbescheinigung, ob er die wohl mal sehen könnte. Elef fummelt und forscht und löst voneinander ab, was sich in seiner Brieftasche verklebt hat, die Bescheinigung will sich nicht zeigen, Duus streckt die offene Hand umsonst aus. Bei uns, sage ich, Elef arbeitet schon lange bei uns, und ich sage auch: Der Chef wird es bestätigen. Duus möchte sich damit zufrieden geben, aber etwas in ihm kann es wohl nicht, er überlegt, er sucht nach einem Ausweg, schließlich sagt er: Vorzeigen, auf der Dienststelle, innerhalb von drei Tagen.
    Er dreht sich weg, übersieht Elefs Verbeugung, der sich hinsetzt und ratlos noch einmal die Brieftasche untersucht, unverständliche Worte murmelnd, jetzt, bitte, einen mit Bleistift geschriebenen befleckten Brief findet, in dem sich die Arbeitsbescheinigung versteckt hat, bitte, doch Duus ist schon draußen auf

Weitere Kostenlose Bücher