Leon, Der Slalomdribbler
Ding, das er in seiner Hand hielt und das er Ball nannte.
„Das ist kein Ball!”, sagte ich.
„Doch!”, sagte Willi, „wenn ich nicht irre, nennt man sowas hier Tennisball!”
„Mit einem Tennisball spielt man nicht Fußball!”, entgegnete ich.
„Doch, wenn man nichts Besseres hat. Wir haben früher mit Blechdosen und Steinen gekickt.”
„Ja und?”, schimpfte ich. „Wir haben was Besseres. Da vorn liegt mein Ball. Wegen dem musste ich Socke mitnehmen und wegen dem heult er uns jetzt die Ohren voll. Ich denk nicht daran!”
Entschlossen stapfte ich los, doch Willi rief mich wieder zurück und dieses Mal war er streng.
„Halt!”, befahl er in einem Ton, dass ich sofort stehen blieb. „Ich bin euer Trainer und ich sage euch, was ihr macht. Ist das klar?“
Ich schaute zu meinen Freunden hinüber. So ganz klar war uns das alles noch nicht. Ganz im Gegenteil. So hatten wir uns unser Training nicht vorgestellt. Da lachte Raban auf seine Art: „Hey, Jungs, was soll’s? Gestern haben wir hier getanzt. Warum sollen wir heut nicht mit ’ner Wollkugel spiel’n?”
„Und morgen vielleicht mit ’nem Spiegelei!”, lachte Fabi und wir lachten mit. Doch das Lachen von heute war irgendwie nicht mehr das Lachen von gestern. Vielleicht lag alles am Muskelkater. Wir waren alle ein bisschen gereizt. Trotzdem begannen wir mit dem Training.
Willi teilte uns in zwei Mannschaften ein. Fabi, Marlon, Raban und ich gegen Maxi, Felix, Juli und Joschka. Dann warf er den Tennisball auf die Wiese. Oh, Mann, war das hart! Wir hatten gestern gelernt, wie man sich auf diesem sumpfigen Acker bewegt, doch der Tennisball nicht. Er versteckte sich zwischen den Grasbüscheln, als wollte er unter der Grasnarbe spielen. Dann, hatte ihn jemand von uns, rutschte er uns durch die Füße oder sprang uns vom Schuh direkt in die Reihen des Gegners hinein. Immer öfter schrien wir uns an:
„Pass doch auf!”
„Kannst du nicht spielen?“
„Mein Gott, bist du eine Flasche!”
Willi schritt jedes Mal ein. Er verbot uns, dass wir uns beschimpften. Wir seien ein Team und jeder müsste mit dem anderen wachsen. Doch wir waren alle gereizt. Dazu kam der Muskelkater und das Jaulen von Socke und immer wieder verlor einer der Wilden Kerle die Lust, setzte sich auf den Boden oder schrie Willi an:
„Mir reicht’s!”
„Ich hab keine Lust mehr!”
„Ich hör auf!”
Doch Willi blieb hart. Wir hatten nur zwei Wochen Zeit und wir wollten die Unbesiegbaren Sieger besiegen.
Daran erinnerte er uns und deshalb quälte er uns mit dem Tennisball.
„Wenn euch mit dem Tennisball alles gelingt”, versprach er uns immer wieder, „wird jedes Kunststück mit dem Fußball ein Kinderspiel sein.”
Trotzdem und obwohl wir doch Kinder waren, gelang uns das an diesem Tag nicht. Am Abend schmeckte die Apfelsaftschorle ganz schal und wie getretene Hunde gingen wir alle nach Hause. Wir schwiegen entmutigt und jeder von uns dachte für sich: „So werden wir die Unbesiegbaren Sieger nie schlagen.”
„Der Bolzplatz ist für immer verloren.”
Und: „Selbst wenn Willi Recht haben sollte. Wie halten wir das nur die nächsten zehn Tage durch?“
Doch zuerst kamen die nächsten drei Tage und die wurden noch schlimmer. Es wurde ganz heiß. So heiß wie im Hochsommer und zu der Hitze kamen die Mücken. Sie schwirrten um uns herum und zerstachen Arme, Beine und unsere Gesichter. Dazu kam das Jaulen und Heulen von Socke, der selbst dann nicht damit aufhören wollte, als einer von uns abwechselnd neben ihm saß. Socke ließ sich nicht streicheln. Er wollte nur unseren Ball. Er war verückt nach dem Ding, während wir es immer mehr hassten. Wir schrien uns an, beschimpften uns wild und einmal packte ich Raban und schleuderte ihn in den Dreck.
„Verflixt! Jetzt spiel doch endlich mal Fußball!”
Willi versuchte, uns zu beruhigen, doch wir fauchten ihn an:
„Was willst du denn?”
„Das war deine Idee!”
„Wegen dir müssen wir diese Kacke hier machen!”
„Versuch du das doch mal, mit deinem Hinkebein!”
Da sagte Willi nichts mehr. Er setzte sich neben das Spielfeld und sah uns einfach nur zu. Im ersten Moment dachten wir „Ha! Jetzt haben wir ihn! Jetzt hören wir auf!” Doch dann standen wir da und schauten uns an. Wir wussten, dass der, der zuerst gehen würde, ein Hasenfuß war und keiner wollte das sein. Keiner wollte Schuld daran sein, dass wir das Spiel um den Bolzplatz verlieren. Verlegen ging ich zum Ball, balancierte ihn auf
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