Leon, Der Slalomdribbler
dem Spann, hob ihn hoch in die Luft, köpfte ihn, stoppte ihn mit der Brust und kickte ihn mit dem Knie hinüber zu Fabi. Der machte dasselbe und gab ihn weiter zu Maxi. Dann kamen Juli, Marlon und Felix. Erst bei Raban fiel er zum ersten Mal in den Dreck. Doch das machte uns nichts. Endlich lachten wir wieder und endlich hatten es alle kapiert. Wir spielten wie Pelé in Brasilien am Strand. Willi hatte uns das so oft erzählt und wir hatten es einfach vergessen. Am Strand spielt man den Ball immer hoch, weil er sonst nur verspringt. Deshalb können die Brasilianer so zaubern und genauso zauberten wir – bis auf Joschka und Raban.
An den nächsten zwei Tagen sagte ich nichts. Vielleicht lag es daran, dass ich meinen Ball gegen Socke eintauschte. Wir brauchten ihn sowieso nicht mehr und so wurden wir wenigstens von Sockes Gejaule verschont. Doch dann wurde mein Hals immer dicker. Jedes Mal wenn Raban oder Joschka an den Ball kamen, ging er verloren und das gegnerische Team schoss ein Tor. Die beiden stellten sich einfach zu dusselig an und was noch viel schlimmer war: Sie lernten an keinem Tag etwas dazu. Joschka war noch zu jung. Er war erst sechs, drei Jahre jünger als ich, deshalb konnte ich ihm verzeihen. Doch für Raban traf das nicht zu. Raban war einfach nur blind. Und dann wurde Felix noch krank. Das Fieber hatte ihn wieder erwischt und es gab keine Eiswürfel mehr. Seine Mutter hatte das Eisfach im Kühlschrank vorsorglich abgetaut.
Deshalb rief ich am neunten Tag unseres Trainings und vier Tage vor unserem Spiel die Mannschaft und Willi zusammen. Und ich sage euch, ich druckste nicht rum.
„Joschka und Raban müssen raus aus dem Team!”, forderte ich. „Wenn wir mit ihnen spielen, hat der Gegner zwei Spieler mehr.”
Joschka und Raban waren entsetzt. Dann sprang Joschka auf, rannte weg, versteckte sich hinter dem erstbesten Baum und begann, wie Socke zu heulen. Doch Raban blieb sitzen und die anderen schwiegen mich vorwurfsvoll an.
„Was ist, seid ihr etwa anderer Meinung?”, bohrte ich nach und wandte mich, als alle immer noch schwiegen, an Willi.
„Los, Willi, erklär du ihnen, was ich hier mein!”
Doch Willi musterte mich betroffen.
„Ich mein, ihr seid alle ein Team. Und was ihr als ein Team begonnen habt, solltet ihr auch als ein Team beenden.”
„Oh, Mann, das mein ich doch nicht. Ich will gewinnen.”
„Ach ja?”, sagte Willi. „Ich glaube, das wollen die anderen auch.”
Willi sah mich jetzt an, als wollte er mich durch seinen Blick dazu zwingen zu schweigen, und ich wusste, ich stand mit meiner Meinung allein. Selbst Marlon war nicht auf
meiner Seite. Dabei konnte er genauso wenig verlieren wie ich.
„Okay”, sagte ich, „Einverstanden. Dann wollen wir aufrichtig sein. Das hast du doch von uns verlangt, oder nicht?”
Willi nickte ganz kurz mit den Augen, doch er wollte immer noch, dass ich schwieg.
„Okay”, sagte ich. „Felix ist krank. Wir sind nur noch sieben und jetzt sagt mir ehrlich, ob Raban und Joschka Fußballer sind.”
„Ich denke schon!”, antwortete Willi. „Sie spielen den Ball mit dem Fuß. Das wird überall Fußball genannt.” Er lächelte vorsichtig und dieses Lächeln bat mich darum, dass ich schwieg. Doch ich wischte ihm das Lächeln aus seinem Gesicht.
„Das ist nicht die Antwort auf meine Frage. Ich will von euch wissen, ob sie gute Fußballer sind.”
Die anderen schwiegen. Keiner beantwortete meine Frage mit Ja. Selbst Willi sagte nichts mehr. Er schüttelte nur seinen Kopf.
„Warum sagst du nichts, Willi?”, fragte Raban nervös. „Du bist unser Trainer.”
„Dazu kann ich nichts sagen”, antwortete Willi. „Hier geht es nicht mehr um Fußball, hier geht es um mehr. Hier geht es um sowas wie Freundschaft.”
Und dieses Mal traf sein Vorwurf nicht allein mich. Er traf alle anderen auch, denn keiner von ihnen unternahm einen Versuch, um Raban zu halten. Da stand Raban auf, wischte sich die Tränen aus seinem Gesicht und ging langsam davon. Joschka rannte ihm nach und wir schauten zu, bis beide zwischen den Bäumen verschwanden.
„Bravo”, lobte uns Willi. „Das habt ihr gut gemacht. Jetzt seid ihr noch fünf. Fünf Superprofis gegen sieben unbesiegbare Monster. Gar keine Frage. Der Sieg am Samstag gehört mit Sicherheit euch.”
Der Spott in seinen Augen traf mich direkt ins Herz. Ich holte tief Luft und dann sagte ich: „Das denk ich auch! Wir werden gewinnen.” Jetzt hielt ich Willis Blick stand. „Gebt mir nur
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