Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leon, Der Slalomdribbler

Leon, Der Slalomdribbler

Titel: Leon, Der Slalomdribbler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
Vom Netzwerk:
er den Kiesel so fest er konnte. Der kleine Stein prallte auf den Felsen auf und sprang in hohem Bogen zurück. Willi musterte Juli.
    „Du wirst deine Angst noch bekommen”, sagte er.
    Juli schaute verlegen zu Boden, doch Willi ließ das nicht zu.
    „Es sei denn, ihr nutzt den Vorteil des Kieselsteins aus”, sagte er. „Der Kiesel ist flink und ganz leicht. Er kann tanzen.”
    Willi warf einen zweiten Stein. Er warf ihn ganz flach. Der Stein landete auf einer Pfütze, sprang hoch, über den dicken Felsen hinüber, ditschte dort wieder auf und hüpfte auf diese Weise noch über drei große Gesteinsbrocken hinweg.
    Jetzt hatten wir es kapiert. Ein Lächeln zauberte sich auf unsere Gesichter und wir rannten los. Egal wie oft wir ausrutschten, hinfielen, in Pfützen abtauchten oder uns die Knie oder Ellbogen anschlugen, keiner gab auf. Immer wieder liefen wir um die Wette. Am Ende sogar mit verbundenen Augen, und als Willi seinen Ghettoblaster anstellte, protestierte keiner von uns. Mit verbundenen Augen liefen wir zum Rhythmus der Musik. Die sumpfige Wiese wurde glatter als ein Golfrasen für uns und wir tanzten wie lachende Kobolde über ihn hinweg.
    Am Ende spendierte uns Willi allen eine Apfelsaftschorle, die er aus dem Kiosk mitgebracht hatte, und obwohl wir alle total erschöpft waren, lachten wir immer noch weiter. Wir stellten uns vor, wie der Dicke Michi oder Fettauge oder der gefürchtete Kong schweißtriefend vor Willis Kiosk am Bolzplatz standen, der jetzt geschlossen war, weil Willi uns hier trainierte. Wir stellten uns vor, wie sie auf ihre Knie fielen, gegen die Bretterwand schlugen und mit verdrehten Augen den Himmel anflehten, dass er ihnen etwas zu trinken gab.
    Oh Mann, das Leben war schön, besonders als Willi uns sagte, dass wir am nächsten Tag endlich mit Ball spielen würden. Wir fühlten uns alle fantastisch und nach diesem ersten Tag zweifelte keiner von uns mehr daran, dass wir den Dicken Michi und seine Unbesiegbaren Sieger besiegen.

Die Zerreißprobe misslingt
    Doch am nächsten Morgen wurde alles ganz anders. Als ich aus dem Bett springen wollte, stieß mich der Schmerz in meinen Beinen auf die Matratze zurück. Im ersten Moment dachte ich, die Kinderlähmung hätte mich erwischt, doch dann war es nur ein schrecklicher Muskelkater. Mühsam quälte ich mich die Leiter meines Hochbetts hinab. Marlon erging es nicht anders. Wir mussten uns gegenseitig die Schuhe zubinden. Wir schafften es einfach nicht mehr, mit unseren Händen an unsere eigenen Füße zu kommen. Dann humpelten wir aus dem Haus. Wie gestern wollten wir wieder verschwinden, bevor unser Vater mit Socke vom Spaziergang zurückkam. Doch der war noch da. Er wartete im Garten auf uns und hielt uns Sockes Leine entgegen.
    „Nein, bitte nicht!”, stöhnten wir.
    Unser Vater zuckte überrascht mit den Achseln.
    „Okay”, sagte er und wir atmeten auf, „aber dann bekomm ich den Ball. Das war abgemacht.”
    „Nein, auf gar keinen Fall!”, rief ich. „Den brauchen wir heut. Ganz unbedingt! Willi hat es gesagt.”
    „Gut! Und Socke braucht euch!”, sagte mein Vater und Socke saß Schwanz wedelnd neben ihm, als wollte er unser schreckliches Schicksal versüßen.
    Wir waren stinksauer, denn auf der Wiese am Fluss stürzte sich Socke genau so Schwanz wedelnd auf meinen Ball. Wir konnten einfach nicht spielen und jedes Mal grub Socke seine Zähne tiefer in das Leder hinein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis unser letzter Ball ruiniert war. Und bevor das passieren konnte, packte ich Socke und band ihn am nächsten Baum an. Socke jaulte und heulte, doch das war mir jetzt völlig egal. Der Muskelkater in meinen Beinen machte mich schon wütend genug und das Einzige, was ich wollte, war endlich Fußball zu spielen. Doch kaum hatte ich Socke angebunden, erschien Willi zum Training und nahm mir meinen Ball wieder weg. Er schoss ihn hoch in die Luft zum anderen Ende der Wiese und sagte wie gestern:
    „Den brauchen wir heute noch nicht!”
    Ich war komplett aus dem Häuschen.
    „Wie bitte?”, rief ich. „Du hast es doch gestern gesagt. Du hast gesagt, dass wir heute mit Ball spielen werden. Hab ich nicht Recht?”
    Die anderen nickten. Also hatte ich Recht und Willi hatte gelogen. Ich stürmte los, um, dickköpfig wie ich war, meinen Ball wieder zu holen, doch Willi rief mich zurück.
    „Warte, Leon, einen Moment!”, sagte er. „Ich halte mein Wort. Das hier ist euer Ball.”
    Willi grinste, doch wir starrten entsetzt auf das

Weitere Kostenlose Bücher