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Leonard Bernstein

Leonard Bernstein

Titel: Leonard Bernstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Cott
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Man könnte also sagen, dass das Christentum ein besser aufgeräumtes Judentum ist.
    Obwohl ich es nicht beweisen kann, weiß ich tief im Innern, dass jeder Mensch mit der Liebe zum Lernen geboren wird. Ohne Ausnahme. Jedes Baby untersucht seine Zehen und Finger, und die Entdeckung der eigenen Stimme muss einer der wunderbarsten Momente des Lebens sein. Ich vertrete seit Langem die Meinung, dass es am Ursprung aller Sprachen Protosilben gegeben haben muss – wie ma (oder eine Variante davon) –, die in fast jeder Sprache die Mutter bezeichnet: mater, madre, mère, Mutter , mat, Ima, shi-ma, Mama . Stellen Sie sich nur ein kleines Kind vor, das in seiner Wiege liegt und seine Stimme entdeckt, wie es summt und murmelt: »Mmmm« …
    Ich muss Ihnen noch erzählen, dass ich ein neues Enkelkind habe, den Sohn meiner Tochter Jamie, letzten Samstag ist er fünf Wochen alt geworden …
    Herzlichen Glückwunsch! Wie heißt er?
    Wir nennen ihn Spike. Sein wirklicher Name ist Evan Samuel Thomas. Evan ist der zweite Name seines Vaters David, und Samuel heißt er nach meinem Vater. Und er sieht jedem ein bisschen ähnlich. Manchmal ist er das Ebenbild seines Vaters, doch das Kinn hat er von seiner Mutter, und manche Leute schauen ihn an und behaupten, er komme nach mir! Aber wo war ich stehen geblieben?
    Sie sprachen von dem Baby, das »Mmm« vor sich hin murmelt.
    Und plötzlich wird es hungrig und öffnet den Mund, um an der Brust zu saugen – jedes Kind macht das –, und dann kommt »Mma-aa« heraus … und es ist so gut, dass es lernt, diese Silbe mit der Brust zu assoziieren und mit dem Vergnügen, gestillt zu werden. Madre und mare [Mutter und Meer] sind im Spanischen fast dieselben Wörter … und im Französischen sind mère und mer Homonyme. Man verbringt die ersten neun Monate im Fruchtwassermeer, schwimmt in dieser mater – diesem großen Ozean, in dem man nicht atmen und auch sonst nichts tun muss … alles kommt zu einem – selbst nach dem Trauma der Geburt, das man nie überwindet.
    Und warum machen wir das alles durch?
    Damit die Seelenklempner Geld verdienen. Was hätten sie denn sonst zu tun? Man legt sich bei ihnen auf die Couch und erzählt ihnen von seinem Geburtstrauma, an das man sich nicht erinnern kann. Und dennoch gibt es diese Freude, mit der Kinder das erste Mal »Ma!« sagen lernen.
    Dann kommt das nächste Trauma: Eines Tages sagt das Kind »Ma!«, und die Brust erscheint nicht. Oy! Das kann am fünften Tag oder im fünften Monat des Lebens eines Kindes passieren, aber wann immer es passiert – es ist ein unvorstellbarer Schock. Es gibt Leute, die haben eine Rebirthing-Therapie gemacht und behaupten, diesen Schock wiedererlebt zu haben. Ich habe so etwas nicht gemacht, aber ich kenne ausgewachsene Männer, die sich in die Arme ihrer Therapeutin fallen ließen – buchstäblich! – und weinten. Sie hatten die Hoffnung, noch einmal an der Brust liegen zu können und von den Armen der Mutter gewiegt zu werden! Große, starke, erwachsene Männer mit Schuhen an den Füßen – na gut, sie müssen ihre Schuhe wohl ausgezogen haben dabei [er lacht] –, und danach kamen sie aus dem Zimmer und waren begeistert. Eine solche Therapeutin muss wohl ganz schön gut gebaut sein, um Erwachsene an ihre Brust sinken lassen zu können.
    Wenn Ma nicht auftaucht, sagt man am Ende vielleicht Mah-ler!
    [Er lacht.] Warum nicht? Das ist kein schlechter Scherz, er ist sogar sehr treffend.
    Ich habe gehört, dass Mahler mit Freud über dieses Problem sprechen musste.
    Wissen Sie, Mahler hatte vier Termine bei Freud, und bei drei davon ist er nicht gekommen, weil er solche Angst davor hatte herauszufinden, warum er impotent war. Seine Frau Alma ging ja mit jedem ins Bett, der ihr über den Weg lief – Gropius, Kokoschka, Werfel und Bruno Walter, unter anderen. Sie schickte ihn zu Freud. Er war zwanzig Jahre älter als sie, und sie war das hübscheste Mädchen in Wien, reich, kultiviert, verführerisch …
    Haben Sie sie nicht selbst einmal kennengelernt?
    Natürlich. Sie hat versucht, mich abzuschleppen. Vor vielen Jahren wohnte sie im Hotel Pierre in New York – sie hatte ein paar meiner Proben mit den New Yorker Philharmonikern besucht – und lud mich zum »Tee« ein, was sich als Aquavit herausstellte. Dann schlug sie vor, dass wir uns ein paar Memorabilien ihres Ehemanns ansehen sollten – in ihrem Schlafzimmer.
    Sie muss zu dieser Zeit um einiges älter gewesen sein als Sie.
    [Er lacht.] Sie war um Generationen

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