Leonard Bernstein
sagen: »Ich sollte«? Die von Ihrer Mutter?
Sicher. Woher wussten Sie das?
Ich kenne Sie.
Aber es ist erst meine erste Sitzung bei Ihnen, Dr. Bernstein.
Ja, aber ich kenne Sie. Es geht immer um Ihre besitzergreifende Mutter.
Danke, Dr. Bernstein. Manchmal habe ich tatsächlich das Gefühl, dass ich ein Patient bei Ihnen bin! Ich werde Sie weiterempfehlen, aber sind meine fünfzig Minuten jetzt vorbei?
[Mein neuer Analytiker wollte deutlich auf etwas Bestimmtes hinaus, aber vielleicht war doch ein wenig Projektion im Spiel. Als höflicher Gast beschloss ich, die Sache auf sich beruhen zu lassen und nicht den Analytiker zu analysieren. Aber dann sagte Dr. Bernstein, ich solle ihm doch ein paar Dinge erzählen, die ich während meiner jahrelangen Therapie über mich selbst erfahren hatte. An diesem Punkt leistete ich auf sanfte Weise Widerstand; auf seine Bitte, die recht harmlosen Erkenntnisse über mich selbst, die er mir entlockt hatte, durch weitere Enthüllungen zu vertiefen, ging ich nicht weiter ein.]
Aber warum erzählen Sie mir nicht mehr? Sie haben mir doch schon anvertraut, dass Sie in Therapie waren, mein Gott!
Sie haben mich danach gefragt.
Nein, Sie haben damit angefangen.
Das ist unfair, Sie haben angefangen .
Haben wir jetzt unseren ersten Streit, Liebling? [Er lacht.]
Haben wir das? [Ich lache.] Aber es ist natürlich Ihre Schuld!
La-la-la. [Er singt.] »Well, they began it! Well, they began it!«
Woher stammt das?
Das werfen sich die Jets und die Sharks in West Side Story gegenseitig an den Kopf.
Gut. Ich bin froh, dass wir das geklärt haben. Aber kommen wir zum Thema Ablehnung und Abgelehnt-Werden zurück. Ich wollte Sie fragen, was es mit Ihrer Ablehnung eines Kunstpreises von Präsident George H. W. Bush auf sich hatte, letztes Jahr im November, und warum Sie sich geweigert haben, an einem Dinner teilzunehmen, das von John Frohnmayer ausgerichtet wurde, dem neuen Vorsitzenden der Kulturförderstiftung National Endowment for the Arts. War es eine Reaktion auf dessen Entscheidung, sich als Sponsor einer Ausstellung über Aids zurückzuziehen – welche auf eine Kongressentscheidung gegen die staatliche Finanzierung von sogenannter obszöner und politischer Kunst zurückzuführen ist? Sie haben damals an Bush geschrieben: »Wenn ich nach Washington komme, um von Ihrer Administration geehrt zu werden, könnte das die Vermutung nahelegen, ich sei ein regierungstreuer Künstler, der sich freundlich, still und leise einen Orden anheften lässt und auf bessere Zeiten hofft. Das kann ich nicht riskieren.«
Als ich das letzte Mal im Weißen Haus war, ging die Regierungszeit von Jimmy Carter gerade zu Ende, und ich verschwor mich mit einem Sicherheitsmann, um einundzwanzig Leute im Personalaufzug zum Ort des Geschehens zu schmuggeln! Ich wurde bei einer Gala im Kennedy Center geehrt 7 , zusammen mit Agnes de Mille, James Cagney, Lynn Fontanne, Leontyne Price und anderen – alles gute Leute. Leontyne und ich waren die Nesthäkchen – Agnes de Mille mussten wir stützen, damit sie sich aufrecht halten konnte, und Jimmy Cagney saß im Rollstuhl. Am nächsten Tag kam meine Tochter Jamie zu mir in meine Wohnung im Dakota Building, und abends saßen wir zusammen und ließen die Geschehnisse vom Abend zuvor Revue passieren – wir waren erschöpft, aber ganz berauscht, in absoluter Hochstimmung … doch nur fünf Minuten später krochen wir plötzlich auf allen vieren auf dem Boden. Denn die Haushälterin war ganz aufgeregt zu uns hereingekommen und sagte, sie habe in der Küche Schüsse gehört. Sie war nach unten gerannt und kam dann zu uns, um uns zu berichten, was sie gesehen hatte. 8
[L. B. und ich sitzen lange schweigend da.]
Ich liebe das Weiße Haus mehr als irgendein anderes Haus auf der Welt – schließlich bin ich Musiker und gleichzeitig ein Bürger meines Landes –, aber seit 1980 bin ich nicht mehr dort gewesen, weil es so schlampige Wirtschafter und Hausverwalter hatte.
Die Kürzungen der staatlichen Kunstförderung sind auf den Republikaner Jesse Helms zurückzuführen, und das Schlimmste, was er angerichtet hat, ist die Eliminierung des Politischen als akzeptablen Gegenstand künstlerischer Arbeit. Damit kann man Goya, Picassos Guernica oder In einem anderen Land von Hemingway vergessen. Man könnte alles vergessen. Und was die »Obszönität« betrifft: Fast das ganze Metropolitan Museum of Art würde wegfallen – Mars beim Sex mit Venus, die ganze Rubens-Sammlung
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