Leonard Bernstein
es zerstören, berauben wir Kinder ihres natürlichen Rechts zu singen und zu tanzen und Sprache und Musik zu hören und zu verstehen. Bis wir das einsehen, werden junge Leute niemals gern irgendeine Art von Musik hören – mit Ausnahme von Musik, die eine Drum Machine erzeugt und die ihnen bezüglich ihrer Zeit und ihrer Aufmerksamkeit nichts abverlangt. Es ist wie Onanieren [er singt]: »Ba-by eins-zwo-drei!« Man muss mit Lehrern und Eltern daran arbeiten, sie müssen sich darüber klar werden, was sie den Kindern antun.
Mögen alle Lehrer Ihre Begabung haben!
Ich lerne gern, ich bin ein ewiger Schüler und bin vielleicht deshalb ein ziemlich guter Lehrer.
Sie sind ein erstaunlich spielerischer Lehrer, aber wenn ein Erwachsener kein Kind in sich hat, das spielen will, werden Kinder wahrscheinlich auch nicht auf ihn reagieren.
Ich glaube nicht, dass das das Problem ist, denn jeder Mensch hat ein Kind in sich. Wie war dieses Zitat von Nietzsche nochmal?
»Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.«
Im Gegensatz zum falschen Mann? Was wäre ein unechter Mann?
Sie sprachen ja von Traumata. Und dazu gehören oft alle möglichen Phobien und Repressionen. Durch diese kann man in kreativer Hinsicht ziemlich verkorkst werden.
Stimmt, man verhärtet sich, aber man kann das Spielerische wiederfinden. Wir müssen einen Weg finden, um Musik und Kinder zusammenzubringen, genauso wie wir Lehrern beibringen müssen, wie sie ihre eigene Lust am Lernen wieder entdecken. Dann fängt der Funke an überzuspringen. Ich muss es unbedingt schaffen, diesen Funken in mir jetzt lebendig werden zu lassen, denn ich bin alt – wenn auch spielerisch – und habe nicht mehr alle Zeit der Welt. Ich muss meine Zeit vernünftig einteilen. Das Zusammensein mit jungen Leuten hat mich lebendig erhalten, das kann ich Ihnen sagen, und ich würde wirklich alles für sie tun. Stellen Sie sich nur vor, was wir mit all dieser Energie und dieser Tatkraft machen könnten, statt diesen Planeten, auf dem wir leben, immer weiter herunterzuwirtschaften, ihm immer mehr von seiner Würde zu nehmen und uns als Spezies zu blamieren. Ich werde noch mit meinem letzten Atemzug und mit allem, was mir an Energie bleibt, daran arbeiten, diese schreckliche Situation zu verändern …
Aus irgendeinem Grund erinnere ich mich gerade an zwei Träume, die ich letzte Nacht hatte. Ich habe sie aufgeschrieben, was ich seit Jahren nicht mehr getan habe. Einer davon war sehr schön, der andere handelte von Schuld … aber ich komme damit zurecht, ich kann damit umgehen.
Reden Sie mit jemandem darüber?
Nein. »Jeder Maestro ist sein eigener Seelenklempner.« Das ist mein Motto. Mein Geschäft ist es, andere Leute zu analysieren, weil ich das gelernt habe – ich weiß nicht so viel davon, wie ich wissen sollte, aber genug, um vielen Leuten zu helfen. Der Mensch braucht Liebe, und deshalb habe ich zehntausend sehr enge Freunde [er lacht], aber das ist den Freunden gegenüber unfair, weil ich keinem von ihnen alles geben kann.
Die Buddhisten sagen: Lass dein Herz wie die Sonne sein, denn ihr Licht scheint auf alle Menschen.
Aber wissen Sie, mein lieber Jonathan, die Menschen haben von Natur aus so viel Gutes in sich, dass das Gute immer durchscheinen wird – sofern sie nicht von Traumata gehemmt werden und wenn man ihnen auch nur die Hälfte einer Chance gibt. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen. Ich habe einen neuen Freund, einen neuen Geliebten, und das musste ich seinem Vorgänger beibringen … es war nicht einfach so, dass ich mir aus einer Laune heraus einen neuen Freund suchte. Und die Reaktion war so wunderbar, so verständnisvoll. Wenn ich jemanden liebe, liebe ich diese Person für immer … und das führt zu völliger Verwirrung. Da fällt mir Ute Lemper ein.
Ute Lemper?
Wissen Sie etwas über diese Dame?
Sie meinen die deutsche Sängerin?
Ja. Ich habe sie backstage kennengelernt, in ihrer Garderobe, nach der Aufführung der Dreigroschenoper , über die wir vorhin sprachen. Sie ist großartig. Ich bin ausgeflippt! Ihr letztes Album heißt Ute Lemper singt Kurt Weill , mit John Mauceri als Dirigent. Sensationell. Sie ist der Hit … und ich glaube, wenn ich nicht gerade einen neuen Geliebten hätte, würde ich in jedes Konzert gehen, das sie in Amerika gibt.
Aber hier, Jonathan, nehmen Sie doch eines von diesen warmen Vollkornbrötchen.
Ich sollte wirklich …, aber ich mache gerade so eine Art Diät.
Wessen Stimme hören Sie, wenn Sie
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