Leonardo und das Geheimnis der Villa Medici
Genua gearbeitet, und da gab es Schiffe, die von dort kamen.“
„Was wisst Ihr über dieses Land?“, hakte Leonardo nach.
„Nicht viel“, gestand der Mann „Es liegt jenseits von Spanien und besitzt viele Schiffe. Außerdem reden die Seeleute, die von dort kommen, sehr eigenartig. Mehr weiß ich nicht.“
Während sich die Fuhrleute noch darüber stritten, ob der Bärtige sich nicht vielleicht nur etwas ausgedacht hatte, um sowohl vor Michele als auch vor Leonardo groß dazustehen, ließ Leonardo die Männer allein.
Er ging um das Gasthaus herum.
Der Portugiese schaute ausnahmsweise mal aus dem Fenster. Er
blickte auf Leonardo herab, sah ihn kurz an und ließ dann den Blick wieder über die Umgebung schweifen.
Leonardo fragte sich, ob er ihn wohl wieder erkannte.
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Er schimpfte in seiner eigenartig klingenden Sprache. Sie war
dem Italienischen ähnlich und Leonardo verstand einige Worte. Aber den Sinn begriff er nicht.
Der Portugiese verschwand wieder und Leonardo erreichte die
Rückfront des Hauses. Die Hintertür stand offen. Gianna spielte mit ihrer kleinen Schwester auf dem Boden und baute eine Burg aus
Sand.
Als sie Leonardo bemerkte, blickte sie auf.
„Auch du bist es!“, sagte sie und stand auf. „Tut mir leid, dass ich nicht zu dir kommen konnte. Aber als die Händler und Fuhrleute wie die Heuschrecken in unserem Gasthaus einfielen, durfte ich nicht mehr weg. Mutter und Vater hatten mehr zu tun, als sie schaffen konnten und ich musste auf die Kleine aufpassen.“
„Ist schon gut“, erwiderte Leonardo. „Ich weiß jetzt, wie ich das Geheimnis des Portugiesen lüften kann. Aber dazu brauche ich deine Hilfe.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich tue, was immer nötig sein
sollte“, versprach sie. „Vorausgesetzt, es hat nichts mit Feuer oder stinkenden Flüssigkeiten zu tun.“
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Leonardo lächelte.
„Nein, das hat es nicht. Garantiert.“
Er berichtete ihr von den Spiegeln. „Du musst dafür sorgen, dass ich ins Haus komme. Hast du eine Ahnung, wie lange der Portugiese abends arbeitet?“
„Einmal musste ich nachts aufstehen, da war es schon lange nach Mitternacht. Aber aus der Kammer des Portugiesen kamen immer
noch Geräusche.“
„Sorg einfach dafür, dass die Tür offen bleibt. Ich komme dann herein und wir sehen uns an, was er so in seiner Kammer macht!“
„Das geht erst morgen. Heute werden alle Zimmer belegt sein,
aber ich nehme an, dass die Händler und ihre Fuhrleute morgen in der Früh aufbrechen. Sogar das Zimmer neben der Kammer des
Portugiesen ist ausnahmsweise belegt. Mein Vater hat ihn darum gefragt, weil sonst für diese Nacht nicht genug Platz gewesen wäre.“
„Ich verstehe.“
Gianna nickte. „Komm morgen Abend genau hier her. Ich werde
dich hereinlassen, sobald drinnen die Luft rein ist…“
„In Ordnung, Gianna.“
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6.Kapitel
Das Geheimnis des Portugiesen
Leonardo schlief bereits tief und fest, als ihn der Hufschlag eines Reiters weckte. Er war sofort hellwach, schlug die Decke zur Seite und eilte zum Fenster.
Draußen war es längst dunkel. Der Mond stand hoch und hell am
Himmel und die Sterne funkelten. Der Reiter, der nun auf den
Dorfplatz geprescht kam, erkannte Leonardo sofort. Es war Ser
Piero, sein Vater, der von seinen Geschäften im Nachbarort Empoli zurückkehrte. An einem Riemen trug er eine Ledertasche um die
Schultern, in denen er sein Schreibzeug bei sich trug.
Ser Piero zügelte sein Pferd und blickte kurz in Leonardos
Richtung. Aber er konnte den Jungen nicht sehen, weil er sich im Schatten befand. Dann ritt Ser Piero an der Kirche vorbei in
Richtung des Gasthauses. Das kleine Haus, in dem Ser Piero nach dem Tod seiner jungen Frau allein lebte, befand sich etwa hundert Schritt dahinter.
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Am nächsten Morgen besuchte Leonardo seinen Vater. Ser Piero
war gerade aufgestanden. Er war noch müde von den Anstrengungen des gestrigen Tages. Als er Leonardo durch das Fenster herannahen sah, winkte er ihn herbei.
„Komm herein, Leonardo!“, rief er.
Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen. Er betrat das Haus.
Es war deutlich kleiner als das Haus seines Großvaters. Als Ser Pieros Frau noch gelebt hatte, hatten regelmäßig Blumen an dem Fenster gestanden und alles hatte immer sehr schön herausgeputzt gewirkt. Aber darum hatte Ser Piero sich nicht gekümmert.
Er saß hinter dem groben Holztisch, an dem er normalerweise die Leute empfing, die von ihm ein Schriftstück verfasst haben
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