Leonardo und das Geheimnis der Villa Medici
Feuer zu tun hat, oder?“, fuhr der Großvater mit sehr ernstem Gesicht dazwischen.
Leonardo schüttelte den Kopf. „Nein, bestimmt nicht. Ich habe
eingesehen, dass es verkehrt war, was ich getan habe.“
Das Gesicht des Großvaters entspannte sich etwas. „Na
hoffentlich.“ Irgendwie schien er den Beteuerungen seines Enkels nicht so recht zu trauen. „Also ich würde einfach ohne Sattel reiten, wenn es ganz schnell gehen müsste“, sagte Großvater. „Als ich jung war, hatten wir gar keine Sättel. Nicht mal Zaumzeug! Wir sind aber trotzdem geritten!“
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8.Kapitel
Reiter in der Nacht
In den nächsten Tagen geschah nichts Aufregendes. Keiner der
beiden Reiter, die den Portugiesen besuchten, zeigte sich.
Leonardos Großvater wunderte sich darüber, dass sein Enkel auf der Stute Marcella unbedingt ohne Sattel reiten wollte und auch jede Hilfe ablehnte, um auf den Pferderücken hinaufzukommen.
Er übte so lange, bis er selbst schaffte, sich hinaufzuschwingen.
Marcella erwies sich als recht friedlich und geduldig, sodass sich die Stute das bereitwillig gefallen ließ.
Eine ganze Woche verging, ohne dass einer der geheimnisvollen
Reiter erschien. Und das, obwohl Leonardo oft bis tief in die Nacht am Fenster saß und Ausschau hielt, ob nicht ein Reiter über den Dorfplatz preschte.
Es dauerte fast zwei Wochen, bis ein Geräusch Leonardo weckte.
Ein Stein war durch das offene Fenster in sein Zimmer geflogen. Ein weiterer folgte. Und noch einer.
Dazu wisperte eine Stimme seinen Namen.
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„Leonardo! Wach auf!“
Leonardo war sofort auf den Beinen. Als er zum Fenster ging, traf ihn der nächste Stein beinahe am Kopf.
Im Mondlicht war Gianna zu sehen. In ihrem Nachthemd wirkte
sie fast wie ein Gespenst.
„Der Reiter ist gekommen!“, wisperte sie.
„Warte! Ich bin gleich unten!“, antwortete Leonardo.
Leonardo zog sich schnell an und schlich dann aus dem Haus.
Großvater schnarchte so laut, dass man ihn schon an der Treppe hören konnte. Wenig später war Leonardo draußen bei Gianna.
„Welcher von den Reitern war es?“, fragte Leonardo. „Der aus
Richtung Florenz kommt oder der andere?“
„Keine Ahnung. Ich habe ihn erst bemerkt, als er an unserer Tür klopfte. Mein Vater hat ihm geöffnet und ich bin durch den
Hinterausgang hinausgeschlichen, um dir Bescheid zu sagen. Und ich muss auch sofort wieder zurück!“
In diesem Moment war der Hufschlag eines Pferdes zu hören. Das Geräusch wurde lauter. Leonardo zog Gianna hinter einen Stapel mit 119
Brennholz. Ser Piero hatte es für Großvater geschlagen und dort aufgestapelt.
Der Reiter erreichte den Dorfplatz. Leonardo blickte vorsichtig hinter dem Stapel hervor.
Im Mondlicht war der Fremde gut zu sehen. Im Gegensatz zu
dem Reiter, den Leonardo eines Nachts gesehen hatte, trug dieser Mann keine Lederkappe, sondern einen mit Federn besetzten Hut.
An der Seite hing ein Schwert. Das Kinn wurde durch einen
Spitzbart hervorgehoben. Er lenkte sein Pferd in Richtung Florenz und ritt aus dem Ort. Als er vorbei war, tauchte Leonardo hinter dem Holzstapel hervor.
„Ich muss jetzt gehen“, sagte Gianna.
Während Gianna nach Hause lief, ging Leonardo zum Stall und
holte Marcella ins Freie. Er legte ihr Zaumzeug an. Sie schnaubte.
Leonardo versuchte sie zu beruhigen. Schließlich sollte auf
keinen Fall Großvater geweckt werden.
Dann schwang er sich auf den Rücken des Pferdes.
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Wenig später hatte er das Haus der Maldinis erreicht. Er stieg ab, nahm einen Stein und warf ihn gegen den Fensterladen der
Dachkammer. Dort schlief Carlo. Der Fensterladen öffnete sich und Carlo blickte hinaus. „Kommst du mit?“, fragte Leonardo nur.
„Bin gleich da!“, antwortete Carlo.
Wenig später war Carlo aus dem Haus geschlichen. Leonardo
hatte sich inzwischen wieder auf Marcellas Rücken gesetzt. Er
reichte Carlo die Hand um ihm auch hinaufzuhelfen. Und dann trieb Leonardo Marcella voran. Das Pferd hatte erst eine gemächliche Gangart an den Tag gelegt, aber Leonardo war klar, dass man so den Reiter auf keinen Fall einholen konnte.
Zumindest Carlo kannte gut die erste Hälfte des Weges, denn er hatte seinen Vater schon des öfteren auf seinen Fahrten nach Florenz begleitet. Bei der zweiten Hälfte des Weges war sich auch Carlo nicht sicher und spätestens bis dahin musste man den Reiter
eingeholt haben.
„Immer vorausgesetzt, der Kerl reitet überhaupt nach Florenz und biegt nicht irgendwo ab!“, meinte Carlo. „Ich
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