Leonardo und das Geheimnis der Villa Medici
etwas auf diesen Blättern zu sehen war, als ich durch den Türspalt blickte.“
„Es müssen ja nicht tagelang dieselben Blätter auf dem Tisch
gelegen haben“, gab Leonardo zu bedenken. „Also wenn ihr mich
fragt, dann macht das alles nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass der irgendetwas kopiert. Er zeichnet oder schreibt etwas ab.“
„Was könnte das sein?“, fragte Gianna.
Leonardo zuckte mit den Schultern. „Irgend etwas, das wertvoll genug ist, damit ein Bote das Original aus Florenz hier her bringt und 108
ein anderer Bote die Kopie in Richtung Pisa mitnimmt. Denn so
muss es ja wohl laufen!“
„Banknoten!“, entfuhr es Carlo. „Vielleicht fälscht da jemand
Banknoten!“
Banknoten waren erfunden worden, um bei der Bezahlung
größerer Summen nicht mehr ganze Wagenladungen mit Gold oder
Silbermünzen durch die Gegend fahren zu müssen. Stattdessen
stellten die Banken in Florenz ein Dokument aus, das man gegen einen bestimmten Betrag in Gold eintauschen konnte. Dieses Gold lagerte in der Bank und brauchte nicht transportiert zu werden.
„Damit kenne ich mich aus!“, fuhr Carlo triumphierend fort, als er Leonardos verständnisloses Gesicht sah. Endlich mal etwas, worüber er mehr wusste als Leonardo! „Mein Vater ist schließlich Händler und weiß über diese Dinge Bescheid! Ich habe einmal die Werte
verschiedener Banknoten für ihn zusammenrechnen müssen, die
mein Vater dann in Florenz umtauschen wollte.“
„Werden die denn nicht mit Siegeln oder dergleichen gesichert, so dass man sie nicht fälschen kann?“, fragte Leo0nardo.
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„Sicher“, nickte Carlo. „Es wird ausschließlich Papier mit dem Wasserzeichen der Bank verwendet. Aber man kann doch alles
fälschen! Vielleicht sind die Hinternmänner auch an das Original-Papier gekommen.“
„Die Papiere waren zu groß für eine Banknote!“, meinte
Leonardo.
„Hast du denn schon mal eine gesehen?“, fragte Carlo
provozierend.
Leonardo schüttelte den Kopf. „Aber ich kann mir nicht denken, dass sie so groß sind, dass sie den halben Tisch bedecken, oder? Das wäre doch vollkommen unpraktisch.“
Carlo schluckte. Gerade noch hatte er gedacht, gegenüber
Leonardo mal richtig auftrumpfen zu können. Aber jetzt sah er ein, dass Leonardo Recht hatte. Natürlich waren Banknoten immer von handlicher Größe. Auch wenn man sie auseinanderfaltete, bedeckten sie keineswegs einen halben Tisch.
„Hast du denn eine bessere Idee?“, fragte er kleinlaut.
„Ich dachte an Landkarten“, sagte Leonardo. „Mein Vater sagte
mir, dass wenn man hier einen Portugiesen trifft, er
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höchstwahrscheinlich mit der Seefahrt zu tun hat. Und er sagte mir auch, dass Seekarten wie Staatsgeheimnisse gehütet werden. Sie sind ungeheuer wertvoll. Vielleicht bringt ein Spion geheime Seekarten hier her. Der Portugiese ist ein Kartenzeichner. Er kopiert sie und gibt sie einem anderen Boten, der sie an die Auftraggeber weitergibt.
So könnte es laufen!“
„Hast du mal darüber nachgedacht, dass Florenz nicht an der
Küste liegt und es deswegen dort auch keine Schiffe gibt?“, wandte Carlo ein. „Wieso sollte also dort jemand Seekarten besitzen?“
Leonardo zuckte mit den Schultern. „Wieso nicht? Der nächste
Hafen liegt zwar in Pisa, aber er wird von Florenz aus regiert.
Warum sollte man also nicht die geheimen Karten dort verbergen?“
Gianna machte ein enttäuschtes Gesicht. „Ich habe nicht das
Gefühl, dass wir wirklich schon viel weiter sind“, bekannte sie.
„Alles, was wir im Moment haben sind Vermutungen.“
„Begründete Vermutungen“, verteidigte sich Leonardo.
„Ja, aber das Geheimnis des Portugiesen kennen wir jetzt immer noch nicht.“
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„Am Ende stellt sich alles als ganz harmlos heraus!“, meinte
Carlo. „Vielleicht ist dieser Portugiese ja ein Kartenzeichner, der seine Dienste anbietet und dessen Kunden ihn ab und zu besuchen.
Ein ehrbarer Mann, der sein Handwerk ausübt. Vielleicht ein
ehemaliger Seefahrer, der einfach nicht in seine Heimat
zurückkehren wollte, weil er es nirgends schöner fand als hier, in Vinci, dem schönsten Dorf in der Republik Florenz!“
„Wir müssen den Kerl weiter beobachten“, erklärte Leonardo.
„Dass das alles ganz harmlos ist, kann ich mir nicht vorstellen. Dazu ist viel zu viel Geheimnistuerei dabei.“
„Und was schlägst du vor?“, fragte Gianna. „Willst du den
Portugiesen vielleicht mit Hilfe deines Spiegelbogens in der nächsten
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