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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Menschen auf der Erde bleiben müssen.“
    „Aber es ist doch dieselbe Luft, die uns alle umgibt“, meinte Leonardo. „Und es sind dieselben Winde, die die Vögel in dem Himmel tragen und uns mit beiden Füßen auf der Erde halten.“
    „Es ist nun mal so, Leonardo. Damit sollte man sich abfinden!“
    „Aber das kann ich nicht“, sagte Leonardo. „Das kann ich einfach nicht! Ich muss wissen, warum das so ist.“
    Clarissa strich sich das Haar aus dem Gesicht. In der Zeit, in der sie nun schon im Haus von Leonardos Vater wohnte, hatte sie Leonardo und seine zum Teil recht eigenartigen Angewohnheiten ja schon etwas kennengelernt. Wenn ihn eine Frage beschäftigte, dann konnte er sich auf eine Weise in die Sache hineinsteigern, die Clarissa manchmal einfach nicht nachvollziehen konnte.
    Warum sollte es denn so wichtig sein zu wissen, weshalb Vögel fliegen konnten und Menschen nicht? War das wirklich so wichtig? Am besten akzeptierte man die Welt, wie sie war und wie Gott sie geschaffen hatte. Zu verstehen, warum etwas geschah, konnte zwar ganz interessant sein, und Leonardo hatte sie ein ums andere Mal mit den Ideen, die er dazu hatte, in seinen Bann geschlagen. Aber Clarissa fand, dass er es manchmal doch ganz gehörig damit übertrieb.
    „Ich will eine Flugmaschine bauen“, verkündete Leonardo. „Eine Maschine, mit der man genauso gut fliegen kann, wie es ein Vogel vermag. Der Mensch hat schließlichauch Schiffe gebaut, mit denen man über das Meer schwimmen kann, obwohl das eigentlich auch nicht möglich wäre! Warum sollten die Menschen nicht auch eines Tages die Lüfte erobern?“
    „Ja, und vielleicht auch noch den Mond!“, spottete Clarissa.
    „Wieso denn nicht?“, erwiderte Leonardo. „Wenn eine Flugmaschine gut genug ist, dann kann man damit auch bis zum Mond fliegen. Es gibt keinen Grund, weshalb das nicht möglich sein sollte!“
     
    D er Vogel flog einen Bogen, dann stürzte er plötzlich vom Himmel. Er schien ein Beutetier entdeckt zu haben und schnellte nun mit unheimlicher Geschwindigkeit in die Tiefe. Hinter den Kronen einiger Bäume verschwand er. Was er gefangen hatte, konnten Leonardo und Clarissa nicht sehen.
    „Hast du es gesehen, Clarissa?“, fragte Leonardo.
    „Keine Ahnung, was du meinst“, sagte sie.
    „Er ist vom Himmel gefallen – und zwar in dem Moment, als er es
wollte
.“
    „Ein Falke würde verhungern, wenn er das nicht könnte“, gab Clarissa zu bedenken.
    „Ich habe das schon so oft beobachtet und trotzdem habe ich immer noch nicht richtig herausgefunden, wie er es hinkriegt, dass er eine ganze Weile in der Luft schwebt, ohne sich zu bewegen, und dann plötzlich wie ein Stein in die Tiefe stürzt. Es muss irgendetwas damit zu tun haben, wie er die Flügel hält.“
    „Wie kommst du darauf?“
    „Ja, begreifst du das denn nicht?“
    „Nein.“
    „Das ist wie mit dem Bratenwender bei uns zu Hause.“
    Jetzt schien Clarissa überhaupt nichts mehr zu verstehen. „Was hat denn ein Bratenwender mit einem Falken zu tun?“
    „Das kann ich dir jetzt nicht erklären“, behauptete Leonardo.
    „Wieso nicht? Warst du es nicht, der mir immer gesagt hat, dass es für alles eine Erklärung geben müsse?“
    „Ja, kann sein.“
    „Und jetzt gilt das plötzlich nicht mehr? Oder hast du selbst erkannt, dass du vermutlich Unsinn geredet hast?“
    Leonardo machte mit der linken Hand eine wegwerfende Bewegung. In der rechten hielt er noch immer die ausgebrannte Fackel, die er sich noch einmal eingehend angeschaut hatte. Aber er hatte nichts Ungewöhnliches mehr daran entdecken können. Also legte er sie nun auf den Boden.
    „Natürlich gibt es für alles eine Erklärung“, meinte er. „Aber nicht jetzt!“
    „Und wann dann?“
    „Wenn wir zurück sind und ich es dir an dem Bratenwender zeigen kann.“

Zurück in Florenz
    L eonardo wollte sich noch etwas an dem Platz umsehen, wo die Unbekannten auf Piero de’ Medici gelauert hatten. Er hoffte, doch noch irgendeinen Hinweis darauf zu finden, wer diese Männer waren und wer sie geschickt hatte. Aber es befand sich nichts mehr dort, was ihm irgendwie weiterhelfen konnte.
    So kehrten sie schließlich nach Florenz zurück.
    Als sie eines der Stadttore passierten, stand die Sonne bereits ziemlich tief und war milchig geworden.
    Ein kühler Wind wehte von den Bergen herüber. Leonardo hatte inzwischen seine Schuhe wieder angezogen, auch wenn sie ihn eigentlich störten. Aber sein Vater hatte ihm mehr als einmal

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