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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Ferienadressen.
    Harry durchsuchte die Links und blieb bei einem Artikel der Finanzzeitung hängen. »Bingo«, murmelte er.
    Tony Leike war anscheinend auf dem Weg, doch noch etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Auf jeden Fall schrieb die Finanzzeitung über ein Grubenprojekt, bei dem Leike Initiator und Motor gleichermaßen war. Ein Bild zeigte ihn zusammen mit seinen Partnern, zwei jungen Männern mit Seitenscheiteln. Sie trugen nicht die üblichen Designeranzüge, sondern Overalls und Arbeitskleidung und saßen auf einem Stapel Bretter vor einem Helikopter. Tony Leike lächelte am breitesten von allen. Er hatte kräftige Schultern, lange Gliedmaßen, einen dunklen Teint und eine beeindruckende Hakennase, die Harry vermuten ließ, dass in Leikes Adern zumindest ein Rest arabischen Blutes floss. Aber die Ursache für Harrys beherrschten Gefühlsausbruch war die Überschrift des Artikels gewesen:
    »KÖNIG DES KONGOS?«
    Harry folgte weiteren Links. Die Regenbogenpresse interessierte sich eher für die bevorstehende Hochzeit mit Lene Galtung und die Gästeliste.
    Harry schaute auf die Uhr. Fünf nach sieben. Er rief die Kriminalwache an. »Ich brauche Unterstützung für eine Verhaftung im Holmenveien.«
    »Verhaftung?«
    Harry wusste genau, dass er nicht genug hatte, um den Staatsanwalt um einen Haftbefehl zu bitten.
    »Einbesteilung zum Verhör«, sagte Harry.
    »Hatten Sie nicht ›Verhaftung‹ gesagt? Und warum brauchen Sie Unterstützung, wenn es bloß um …«
    »Können Sie in fünf Minuten zwei Mann und ein Auto vor der Garage bereitstellen?«
    Harry erhielt ein Schnauben zur Antwort, das er als ein Ja deutete. Er nahm zwei Züge von der Zigarette, drückte sie aus, erhob sich, schloss die Tür und ging. Er war zehn Schritte durch den Tunnel gegangen, als er hinter sich das Telefon im Büro klingeln hörte.
    Als er aus dem Fahrstuhl trat und zum Ausgang ging, hörte er jemanden seinen Namen rufen. Er drehte sich um. Der Securitas-Mann winkte ihm zu. Vor dem Empfangstresen entdeckte Harry den Rücken eines senfgelben Wollmantels.
    »Dieser Mann hat nach Ihnen gefragt«, sagte der Pförtner.
    Der Wollmantel drehte sich um. Es war einer dieser Mäntel, die nach Kaschmir aussehen, und in diesem Fall war es das wohl auch, denn der Mantel wurde ausgefüllt von den breiten Schultern einer Person mit langen Gliedmaßen, dunklen Augen, dunklen Haaren und vielleicht einem kleinen Rest arabischen Blutes in den Adern.
    »Auf den Fotos wirken Sie kleiner«, sagte Tony Leike, zeigte ihm eine Reihe Zähne, die wie Porzellankacheln aussahen, und streckte ihm seine Hand entgegen.
    »Guter Kaffee«, sagte Tony Leike anerkennend und schien es sogar zu meinen.
    Harry musterte Leikes lange, verkrümmte Finger, die um die Tasse lagen. Beim Händeschütteln hatte Leike ihm lachend erklärt, er müsse sich keine Sorgen machen, das sei nicht ansteckend, sondern bloß die gute alte Gicht, eine Erbkrankheit, die ihm – und das sei ja auch schon etwas – dazu verhalf, ein verlässlicher Meteorologe zu sein.
    »Ich hätte ehrlich gedacht, dass man als Hauptkommissar ein besseres Büro kriegt. Ein bisschen warm hier, finden Sie nicht?«
    »Die Heizungskessel des Gefängnisses sind nebenan«, sagte Harry, während er an seiner eigenen Tasse nippte. »Sie haben also heute Morgen in der
Aftenposten
etwas über den Fall gelesen?«
    »Ja. Beim Frühstück. Und ich kann Ihnen sagen, es ist mir fast im Hals stecken geblieben.«
    »Warum?«
    Leike rutschte wie ein Formel-1-Pilot vor dem Start auf seinem Sitz herum: »Ich hoffe, dass das, was ich Ihnen jetzt sage, unter uns bleiben kann?«
    »Wen meinen Sie mit uns?«
    »Die Polizei und mich. Am liebsten Sie und mich.«
    Harry versuchte, neutral zu klingen, um nicht zu verraten, wie gespannt er war. »Und der Grund dafür ist?«
    Leike holte tief Luft. »Ich will nicht, dass bekannt wird, dass ich in derselben Nacht wie diese Abgeordnete in der Hävasshütte war. Diese Marit Olsen. Ich stehe zurzeit ziemlich im Rampenlicht wegen meiner bevorstehenden Hochzeit. Es wäre äußerst unvorteilhaft, wenn ich ausgerechnet jetzt mit einem Mordfall in Verbindung gebracht würde. Die Presse würde sich darauf stürzen, und das könnte … Dinge aus meiner Vergangenheit aufwirbeln, die ich am liebsten begraben und vergessen würde.«
    »Ah ja«, sagte Harry unschuldig. »Ich muss natürlich alle Informationen genau abwägen und kann deshalb nichts versprechen. Aber das ist ja kein Verhör, sondern

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