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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Tony häufiger mal zu verschwinden.«
    Harry glaubte herauszuhören, dass Galtung den Namen seines zukünftigen Schwiegersohnes nur mit einer gewissen Mühe über die Lippen brachte. Der Reeder ließ sich schwer auf einen Bauernstuhl Harry vis-á-vis fallen.
    »Herr Galtung, haben Sie eine Vermutung, wo er sein könnte?«
    »Eine Vermutung?« Anders Galtung schüttelte den Kopf so heftig, dass seine Wangen schlackerten. »Für irgendwelche Vermutungen kenne ich ihn nicht gut genug. In den Bergen, in Afrika, was weiß ich.«
    »Hm. Eigentlich bin ich ja hier, um mit Ihrer Tochter zu reden …«
    »Lene wird gleich hier sein«, unterbrach Galtung ihn. »Ich wollte mich nur vorher erkundigen.«
    »Erkundigen wonach?«
    »Wie ich bereits sagte, ob es etwas Neues gibt. Und … und ob Sie sicher sind, dass der Mann eine reine Weste hat.«
    Harry stellte fest, dass statt von »Tony« nun von »dem Mann« die Rede war. Sein erster Eindruck schien zu stimmen: Der werdende Schwiegervater war nicht begeistert von der Wahl seiner Tochter.
    »Sind Sie es, Galtung?«
    »Ich? Ich denke, ich zeige in ausreichendem Maße Vertrauen. Immerhin bin ich dabei, eine ansehnliche Summe in sein Kongo-Projekt zu investieren. Eine äußerst ansehnliche Summe.«
    »Das heißt: die Prinzessin
und das
halbe Königreich für einen abgerissenen Glücksritter, der an Ihre Tür geklopft hat?« Zwei Sekunden war es still im Wohnzimmer, während Galtung Harry musterte. »Möglicherweise ja«, sagte er.
    »Kann es sein, dass Ihre Tochter einen gewissen Druck auf Sie ausübt zu investieren? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Leikes Projekt extrem von Ihrem Geld abhängig?« Galtung breitete die Arme aus. »Ich bin Schiffsreeder. Ich lebe vom Risiko.«
    »Das einem auch das Genick brechen kann.«
    »Das sind zwei Seiten einer Medaille. Im Risikogeschäft ist das Brot des einen des anderen Tod. Bis jetzt sind immer die anderen gestorben, und ich hoffe, so wird es auch bleiben.«
    »Dass andere sterben?«
    »Die Reederei ist ein Familienunternehmen, und wenn Leike Teil dieser Familie wird, müssen wir dafür sorgen …« Er hielt inne, als die Wohnzimmertür geöffnet wurde. Sie war groß, blond, mit den groben Zügen ihres Vaters und den türkisfarbenen Augen ihrer Mutter, aber ohne das bescheidene Großbauerngehabe oder die würdevolle Arroganz der Mutter. Sie ging vornübergebeugt, als wollte sie sich kleiner machen, um ja nicht aufzufallen, und schaute auf ihre Schuhspitzen, als sie Harry die Hand gab und sich als Lene Gabrielle Galtung vorstellte.
    Sie hatte wenig zu sagen und stellte noch weniger Fragen, schien sich aber jedes Mal unter dem Blick ihres Vaters zu ducken, wenn sie Harry eine Frage beantwortete, so dass Harry sich nach einer Weile zu fragen begann, ob seine Annahme, sie hätte ihren Vater zu der Investition gedrängt, vielleicht doch falsch war.
    Zwanzig Minuten später bedankte Harry sich und stand auf. Wie auf ein unsichtbares Signal tauchte die Frau mit den türkisfarbenen Augen wieder auf.
    Als sie ihm die Haustür öffnete, ihm die Kälte entgegenschlug und Harry stehenblieb, um sich den Mantel zuzuknöpfen, sah er sie noch einmal an.
    »Was glauben Sie, wo Tony Leike ist, Frau Galtung?«
    »Ich glaube gar nichts«, sagte sie.
    Vielleicht lag es an ihrer etwas zu schnellen Antwort oder an einem Zucken im Augenwinkel, dass Harry bezweifelte, dass sie die Wahrheit sagte. Vielleicht entsprang dieser Eindruck aber auch nur seinem starken Wunsch, endlich irgendetwas zu finden. Ihr nächster Satz hingegen ließ keinerlei Zweifel offen:
    »Und ich bin nicht Frau Galtung. Die ist oben.«
    Mikael Bellman zog das Mikrophon zu sich heran und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Es gab noch vereinzelte Unterhaltungen, aber alle Augenpaare waren vorn aufs Podium gerichtet, damit keiner etwas verpasste. Er erkannte in dem völlig überfüllten Raum den Journalisten vom
Stavanger Aftenblad
und Roger Gjendem von der
Aftenposten.
Ninni saß wie immer in einer frischgebügelten Uniform neben ihm. Die Sekunden bis zum Start wurden, wie üblich bei Pressekonferenzen, die live vom Rundfunk oder Fernsehen übertragen wurden, gezählt. Im nächsten Augenblick schallte Ninnis Stimme aus den Lautsprechern.
    »Herzlich willkommen. Wir haben diese Pressekonferenz einberufen, um Ihnen den aktuellsten Stand unserer Ermittlungen darzulegen. Eventuelle Fragen …« Leises Raunen.
    »… können im Anschluss gestellt werden. Damit gebe ich das Wort

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