Leopard
abwartende Blicke rund um den Tisch. Die Skepsis stand den Anwesenden in die ansonsten ausdruckslosen Gesichter geschrieben.
»Und wie erfährt das Publikum von der Theatervorstellung?«, fragte Erdal und klappte sein Messer zusammen.
»Indem das Kriminalamt das tut, was es am besten kann«, sagte Harry.
Stille.
»Und das wäre?«, brach der Pelikan das Schweigen. »Pressekonferenz.«
Die Stille im Raum war nahezu erdrückend. Bis ein Lachen ertönte. Mikael Bellmans. Seine Leute sahen ihn überrascht an. Und verstanden, dass Harry Holes Plan bereits im Vorhinein abgesegnet worden war.
»Also …«, begann Harry.
Nach der Sitzung nahm Harry Björn Holm beiseite. »Tut die Nase noch weh?«, fragte er. »Willst du dich entschuldigen?«
»Nein.«
»Ich … Nein. Du kannst echt von Glück reden, dass sie nicht gebrochen war, Harry.«
»Hätte nur eine Veränderung zum Besseren bedeuten können.«
»Willst du dich entschuldigen oder nicht?«
»Entschuldige, Björn.«
»Okay. Und das heißt dann wohl, dass du mich um einen Gefallen bitten willst?«
»Ja.«
»Und der wäre?«
»Ich will wissen, ob ihr in Drammen wart, um Adeles Kleider auf DNA-Spuren zu untersuchen. Sie hat sich mit dem Typen, mit dem sie in der Hävasshütte war, ja wohl mehrmals getroffen.«
»Wir sind ihre komplette Garderobe durchgegangen, aber alle Sachen sind gewaschen worden und seit der Hävasshütte garantiert in Kontakt mit zig anderen gewesen.«
»Hm. Wenn ich es richtig verstanden habe, war sie keine begeisterte Skiläuferin. Habt ihr auch ihre Skiklamotten untersucht?«
»Sie hatte keine.«
»Und diese Schwesternkleider? Vielleicht hat sie die ja nur dieses eine Mal benutzt, und es sind noch Spermaflecken darauf?«
»Auch Fehlanzeige.«
»Kein frecher Minirock oder ein Häubchen mit rotem Kreuz drauf?«
»Nix. Da war nur eine blaue Krankenhaushose und das dazugehörige Oberteil, nicht sonderlich anturnend.«
»Hm. Vielleicht war die Minirockvariante gerade vergriffen. Oder sie hat sich nicht getraut. Könnt ihr die Krankenhausklamotten für mich unter die Lupe nehmen?«
Holm seufzte. »Wir haben wirklich alle vorhandenen Kleider untersucht, und alles, was sich waschen ließ, ist gewaschen worden. Da sind weder Flecken noch Haare zu finden.«
»Nimmst du sie trotzdem mit ins Labor? Für einen gründlichen Check?«
»Harry …«
»Danke, Björn. Und das war natürlich nur ein Spaß, du hast einen tadellosen Zinken. Echt.«
Es war vier Uhr, als Harry Sos mit einem Wagen vom Kriminalamt abholte, den Bellman ihm bis auf weiteres zur Verfügung gestellt hatte. Sie fuhren zum Reichshospital und sprachen mit Dr. Abel. Harry übersetzte, was Sos nicht verstand, und sie weinte ein bisschen. Dann gingen sie zu ihrem Vater, der in ein anderes Zimmer verlegt worden war.
Sos drückte seine Hand und flüsterte immer wieder seinen Namen, als wollte sie ihn behutsam wecken.
Sigurd Altman schaute vorbei, legte eine Hand auf Harrys Schulter, nicht zu lange, und sagte ein paar Worte, nicht zu viele.
Nachdem er Sos in ihrer kleinen Wohnung am Sognsvann abgesetzt hatte, fuhr Harry ins Zentrum und kurvte durch Einbahnstraßen, aufgerissene Straßen, Sackgassen. Er fuhr durchs Rotlichtviertel, Shoppingviertel, Drogenviertel, aber erst als die Stadt sich unter ihm ausbreitete, war ihm klar, dass er auf dem Weg zu den deutschen Bunkern war. Er rief 0ystein an, der zehn Minuten später da war, das Taxi neben Harrys Auto abstellte, die Tür aufmachte, die Musik aufdrehte, zu ihm hochkletterte und sich neben Harry auf die Mauerkante setzte.
»Koma«, sagte Harry. »Vielleicht ja nicht mal das Schlechteste. Hast du 'ne Zigarette?«
Sie saßen da und hörten sich Joy Division an.
Transmission.
Ian Curtis. 0ystein hatte schon immer ein Faible für Sänger gehabt, die jung gestorben waren.
»Schade, dass ich es nicht geschafft habe, noch mal mit ihm zu reden, nachdem er krank geworden ist«, sagte 0ystein und nahm einen Lungenzug.
»Das hättest du doch eh nicht gemacht, egal wie lange es sich hing ezogen hätte.«
»Willst du mich damit trösten?«
Harry lachte. Oystein sah ihn schräg von der Seite an, grinste, als wäre er unsicher, ob es erlaubt war zu lachen, wenn ein Vater im Sterben lag.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte 0ystein. »Ein kleines Saufgelage aus gegebenem Anlass? Ich kann Holzschuh anrufen …«
»Nein«, sagte Harry und drückte die Zigarette aus. »Ich muss arbeiten.«
»Lieber Tod und Verderben als ein kleines
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