Leopard
der Tür klirrte, als sie mit einem Knall ins Schloss fiel.
Harry hatte den Scooter angehalten und starrte in das Schneetreiben. Er hatte etwas gesehen.
Bellman hatte die Arme um seine Taille geschlungen und den Kopf im Windschatten auf Harrys Rücken gelegt. Harry wartete. Starrte weiter. Da war es wieder.
Eine Hütte. Ein Blockhaus. Und ein Vorratshaus.
Im nächsten Augenblick war es wieder weg. Vom Schnee weggewischt, als hätte es nie existiert. Aber Harry hatte sich die Richtung gemerkt.
Warum gab er nicht einfach Gas und fuhr darauf zu, um sie in Sicherheit zu bringen? Wieso zögerte er? Er wusste es nicht. Aber irgendetwas war mit dieser Hütte, das hatte er in den wenigen Sekunden gespürt, in denen sie sich ihm offenbart hatte. Die schwarzen Fenster wirkten unendlich verlassen und bewohnt zugleich. Er hatte kein gutes Gefühl, weshalb er nur vorsichtig Gas gab, um den Sturm nicht zu übertönen.
KAPITEL 63
Das Vorratshaus
B ellman schob einen Holzscheit in den Ofen.
Harry saß am Wohnzimmertisch und fror so, dass seine Zähne klapperten. Die Pigmentflecken schimmerten bläulich.
Sie hatten an die Tür gehämmert und in den heulenden Wind gerufen, ehe sie ein Fenster eingeschlagen hatten und in ein leeres Schlafzimmer geklettert waren. Das Bett war ungemacht, und der Geruch, der im Raum hing, verriet Harry, dass hier vor nicht allzu langer Zeit jemand geschlafen hatte. Um ein Haar hätte er eine Hand auf das Laken gelegt, um zu prüfen, ob das Bett noch warm war. Und obwohl er wusste, dass die Stube ihm nur wegen der Kälte draußen so warm vorkam, steckte er die Hand in den Ofen und kontrollierte, ob eventuell noch Glut unter der schwarzen Asche lag. Aber da war nichts.
Bellman rückte näher an den Ofen. »War auf der Geröllhalde noch was anderes als der Scooter zu sehen?«
Das waren die ersten Worte aus seinem Mund, seit er Harry nachgeschrien hatte, dass er nicht ohne ihn wegfahren solle, und sich panisch hinter ihm auf den Scooter geschwungen hatte.
»Ein Arm«, sagte Harry.
»Wessen Arm?«
»Woher soll ich das denn wissen?«
Harry stand auf und ging ins Bad. Kontrollierte, was sich dort befand. Es war nicht viel. Ein Stück Seife und ein Rasierer. Keine Zahnbürste. Eine Person. Männlich. Die sich entweder nicht die Zähne putzte oder unterwegs war. Der Boden war feucht bis an die Bodenleisten, als wäre hier erst vor kurzem gewischt worden. Sein Blick blieb an etwas hängen. Er ging in die Hocke. Halb verdeckt von der Bodenleiste lag dort etwas Braunschwarzes. Ein kleiner Kiesel? Harry hob es auf und sah es sich genauer an. Jedenfalls kein Lavagestein. Er steckte es in die Tasche.
In den Schubfächern in der Küche fand er Instantkaffee und Brot. Es war noch relativ frisch. Im Kühlschrank standen ein Glas Marmelade, Butter und zwei Dosen Bier. Harry war so hungrig, dass er glaubte, gebratenes Fleisch zu riechen. Er durchsuchte alle Schränke, fand aber nichts. Verdammt, ernährte der Kerl sich von Marmeladenbroten? Auf einem Tellerstapel lag eine Packung Kekse. Es waren die gleichen Teller wie in der Hävasshütte. Und auch die gleichen Möbel. Waren sie in einer Touristenhütte? Harry hielt inne. Nein, er bildete sich das nicht ein, es roch wirklich nach gebratenem – oder genauer gesagt – verbranntem Fleisch.
Er ging zurück ins Wohnzimmer.
»Riechen Sie das auch?«, fragte er.
»Was?«
»Na, diesen Geruch«, sagte Harry und ging neben dem Eisenofen in die Hocke. Neben der Ofenklappe, auf dem Relief eines Hirsches, hingen drei schwarze, undefinierbare Krümel, am Gusseisen festgebrannt.
»Haben Sie was Essbares gefunden?«, fragte Bellman.
»Wenn man das so nennen kann«, sagte Harry nachdenklich.
»Auf der anderen Seite des Vorplatzes ist ein Vorratshaus. Vielleicht …«
»Wie wär's, wenn Sie einfach rübergingen und nachschauten?«
Bellman nickte, stand auf und ging nach draußen.
Harry trat an den Schreibtisch, um nach etwas zu suchen, womit er die festgebrannten Stückchen abschaben konnte. Er zog die obere Schublade auf. Leer. Genau wie die anderen. Bis auf ein Blatt Papier in der untersten Schublade. Er nahm es heraus, aber es war kein einfaches Blatt Papier, sondern ein Foto. Es verwunderte Harry, in einer Touristenhütte ein Familienfoto zu finden. Das Bild war im Sommer aufgenommen worden, vor einem kleinen Wohnhaus auf einem Bauernhof. Auf der Treppe saßen eine Frau und ein Mann, und zwischen ihnen stand ein Junge. Die Frau trug ein blaues Kleid, war
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