Leopard
Beavis. Wie dieser Idiot aus der Zeichentrickserie auf MTV . Blond, Unterbiss und ein schnorchelndes Lachen. Okay, vielleicht klang sein Lachen tatsächlich so. Seit der Vorschule. Besonders, wenn ein anderer Prügel bezog. Oder er selbst. Er hatte in einer Zeitschrift gelesen, dass der Typ, der sich Beavis und Butt-Head ausgedacht hatte, Judge hieß, den Vornamen hatte er vergessen. Jedenfalls hatte dieser Judge gesagt, dass er sich Beavis’ Vater als Säufer vorstellt, der seinen Sohn verprügelt. Truls Berntsen erinnerte sich noch gut daran, dass er die Zeitschrift auf den Boden geschleudert und den Laden mit dem für ihn typischen Lachen verlassen hatte.
Beavis hatte zwei Onkel, die beide bei der Polizei waren. Nur dank ihrer Empfehlungen hatte er die Aufnahmeprüfung an der Polizeihochschule noch geschafft – um Haaresbreite. Und später mit Müh und Not das Examen, allerdings auch nicht ohne die helfende Hand seines Tischnachbarn. Wäre ja auch noch schöner gewesen, immerhin waren sie von klein auf befreundet. Befreundet, na ja … Wenn er ehrlich war, war Mikael Bellman sein Chef, seit Truls zwölf Jahre alt war und sie sich erstmals auf dem riesigen Baugrundstück in Manglerud getroffen hatten, das gesprengt werden sollte. Bellman hatte ihn bei dem Versuch erwischt, eine tote Ratte abzufackeln, und ihm gezeigt, wie viel lustiger es war, ihr eine Dynamitstange ins Maul zu schieben. Truls durfte sogar die Lunte anstecken. Von diesem Tag an war er Mikael Bellman überallhin gefolgt. Wenn dieser es zuließ. Mikael schaffte alles, womit Truls Probleme hatte, mit links. Schule, Sportunterricht und was man sagen musste, um nicht fertiggemacht zu werden. Mikael hatte Freundinnen, eine von ihnen war sogar ein Jahr älter, mit Titten, die Mikael nach Herzenslust begrapschen durfte. Nur in einer Sache war Truls besser als Mikael: im Prügeleinstecken. Mikael kniff grundsätzlich, wenn die größeren Jungs es nicht ertrugen, dass das Großmaul sie mal wieder dreckschleudertechnisch ausgetrickst hatte, und mit geballten Fäusten auf sie zukamen. In diesen Situationen hatte er immer Truls vorgeschoben. Weil Truls Prügel einstecken konnte. Das hatte er zu Hause mehr als genug trainiert. Sie konnten ihn schlagen, bis das Blut lief, aber er blieb stehen und lachte sein schnorchelndes Lachen, das die anderen noch mehr in Rage versetzte. Er konnte nichts dafür, er musste einfach lachen. Und er hoffte, dass Mikael ihm hinterher anerkennend auf die Schulter klopfte. Und manchmal, sonntags, konnte es passieren, dass Mikael ihn zu den legendären Rennen von Julle und Te-Ve mitnahm. Dann standen sie auf der Autobahnbrücke vorm Ryenkreuz, den Geruch von sonnenweichem Asphalt in der Nase und das Dröhnen der Kawa-1000-Motoren in den Ohren, und sahen zu, wie Julle und Te-Ve auf ihren Motorrädern über die sonntagsleere Autobahn unter der Brücke hindurch in Richtung Bryn rasten. Und wenn Mikael richtig gut drauf war und Truls’ Mutter Nachtschicht im Aker-Krankenhaus hatte, kam es mitunter sogar vor, dass sie hinterher zusammen zu Mikael nach Hause gingen und bei Frau Bellman zu Abend aßen.
Einmal, als Mikael bei ihnen zu Hause geklingelt hatte, rief Truls’ Vater, Jesus sei gekommen, um seinen Jünger abzuholen.
Gestritten hatten sie sich nie. Das heißt, Truls hatte nie Kontra gegeben, wenn Mikael seine schlechte Laune an ihm ausgelassen hatte. Nicht einmal auf dem Fest, als Mikael ihn Beavis nannte und alle lachten und Truls instinktiv wusste, dass dieser Name hängenbleiben würde. Nur ein einziges Mal hatte Truls zugeschlagen. Da hatte Mikael seinen Vater als einen der Saufbrüder aus der Kadokfabrik bezeichnet. Truls war auf gestanden und mit geballten Fäusten auf Mikael zugewalzt, der sich mit erhobenem Arm vor ihm geduckt und ihn lachend aufgefordert hatte, sich zu entspannen, es sei doch nur ein Spaß gewesen, Entschuldigung. Zu guter Letzt war es aber Truls, der sich kleinlaut bei Mikael entschuldigt hatte.
Eines Tages waren Mikael und Truls in eine der Tankstellen gegangen, in denen Julle und Te-Ve ihr Benzin klauten. Die beiden Motorradfreaks hatten ihre ganz eigene Technik: Sie füllten die Tanks ihrer Kawasakis an den Selbstbedienungssäulen, während ihre Bräute auf dem Sozius ihre Jeansjacken so um die Hüften knoteten, dass sie ganz zufällig die Nummernschilder verdeckten. Waren die Tanks voll, sprangen die Jungs auf ihre Maschinen und gaben Gas.
Mikael nannte dem Verkäufer Julles und Te-Ves vollen
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