Leopard
Mundwinkel. »Aber unsere Ermittlungen im Kriminalamt haben so viele Indizien und Übereinstimmungen aufgedeckt, dass wir uns zur sofortigen Festnahme entschlossen haben, es besteht Wiederholungsgefahr und das Risiko der Verschleierung.«
»Der Festgenommene ist ein Mann um die dreißig. Können Sie mehr über ihn sagen?«
»Er ist früher schon einmal wegen grober Körperverletzung verurteilt worden, das ist alles, was ich dazu sagen kann.«
»Im Internet kursieren Gerüchte über die Identität des Betreffenden. Er soll ein bekannter Investor sein, der unter anderem mit der Tochter eines berühmten Reeders verlobt ist. Können Sie diese Gerüchte bestätigen, Bellman?«
»Ich werde nichts anderes bestätigen oder entkräften, als dass wir vom Kriminalamt die große Hoffnung haben, diesen Fall sehr bald aufklären zu können.«
Der Reporter drehte sich für einen Abspann zur Kamera um, wurde aber von den Klatschsalven im Justisen übertönt.
Truls bestellte noch ein Bier, während einer der Ermittler auf einen Stuhl stieg und grölte, das Dezernat für Gewaltverbrechen könne seinen Schwanz lutschen, zumindest die Spitze, wenn sie ganz lieb bitte sagten. Gelächter wogte durch das gestopft volle, nach Schweiß riechende Lokal.
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und im Spiegel sah Truls eine Gestalt den Türrahmen ausfüllen.
Der Anblick des Mannes versetzte ihn in einen merkwürdigen Erregungszustand, es war die prickelnde Gewissheit, dass jetzt gleich etwas passieren und jemand zu Schaden kommen würde.
Es war Harry Hole.
Groß, breitschultrig, das Gesicht schmal und rotgeäderte, tief in den Höhlen liegende Augen. Er stand einfach nur da. Und obgleich niemand um Ruhe bat, breitete sich Stille in der Bar aus, bis nur noch zwei redselige Kriminaltechniker mit einem letzten Zischen aufgefordert wurden, den Mund zu halten. Als es vollkommen still war, begann Hole zu reden.
»Ihr feiert also, dass es euch gelungen ist, die Früchte der Arbeit an euch zu reißen, die andere für euch erledigt haben?«
Die Worte kamen leise, fast flüsternd, und dennoch schallte jede Silbe durch das Lokal.
»Ihr feiert einen Chef, der, ohne mit der Wimper zu zucken, über Leichen geht – sowohl die, die sich da draußen bereits stapeln, als auch die, die demnächst aus der sechsten Etage des Polizeipräsidiums getragen werden –, nur um der Sonnenkönig in fucking Bryn zu werden. Gut. Hier habt ihr einen Hunderter.«
Truls sah Hole einen Hundertkronenschein aus der Tasche ziehen.
»Den braucht ihr nicht zu stehlen. Da – kauft euch ein Bier, Vergebung, einen Dildo für Bellmans threesome …«
Er knüllte den Schein zusammen und warf ihn auf den Boden. Aus dem Augenwinkel konnte Truls sehen, dass Jussi sich bereits in Bewegung gesetzt hatte.
»… oder noch einen Polizeispitzel.«
Hole machte einen unsicheren Schritt zur Seite, und erst in diesem Moment begriff Truls, dass der Kerl – obgleich seine Aussprache überdeutlich wie die eines Pastors war – sternhagelvoll war.
Als ihn gleich darauf ein rechter Haken von Kolkka links am Kinn traf, vollführte Hole eine halbe Pirouette, der eine tiefe, nahezu galante Verneigung folgte, nachdem ihm der Finne seine Linke in den Solarplexus gerammt hatte. Truls ahnte, dass Hole in wenigen Sekunden – sobald er wieder Luft bekam – kotzen würde. Hier drinnen. Aber auch Jussi schien diesen Gedanken zu haben. Es war ein merkwürdiges Schauspiel, als der kleine, stämmige Finne geschmeidig wie eine Ballerina den Fuß hob und ihn gegen Harrys Schulter stieß, so dass der zusammengekrümmte Polizist nach hinten kippte und durch dieselbe Tür ver schwand, durch die er eben erst eingetreten war.
Die Betrunkensten und die Jüngsten brüllten vor Lachen, und Truls schnorchelte, während einige der Älteren empört aufschrien. Einer von ihnen forderte Kolkka auf, sich gefälligst zu benehmen, aber keiner unternahm etwas. Truls wusste, warum. Jeder hier im Raum kannte die Geschichte. Harry hatte die Uniform durch den Dreck gezogen, das eigene Nest beschmutzt und einen ihrer besten Männer auf dem Gewissen.
Jussi marschierte mit ausdrucksloser Miene zum Tresen, als hätte er nur mal kurz den Müll rausgebracht. Truls lachte wiehernd und schnorchelte. Er würde sie niemals verstehen, die Finnen und Samen und Eskimos, dieses ganze Pack.
Weiter hinten war ein Mann aufgestanden und steuerte auf den Ausgang zu. Truls hatte ihn noch nie im Kriminalamt gesehen, fand aber, dass er
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