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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Handgelenk und wusste genau, was jetzt kommen würde, schließlich hatte er das vom ersten Jahr an in der Hochschule trainiert: der Polizeigriff. Aber er war eine Sekunde zu langsam, zwei durchsoffene Tage zu träge und vierzig Jahre zu dumm. Krongli bog seinen Arm und das Handgelenk mit brachialer Gewalt nach hinten. Harry kippte vornüber und krachte mit der Schläfe auf den Filztisch vor ihm. Ausgerechnet auf die Seite mit dem gebrochenen Kiefer. Er schrie vor Schmerzen laut auf, und einen Augenblick lang wurde ihm schwarz vor Augen. Dann holte der Schmerz ihn zurück. Verzweifelt versuchte er, sich zu befreien. Harry war stark, das war er immer gewesen, musste aber feststellen, dass er gegen Krongli keine Chance hatte. Der Atem des kräftigen Polizisten strich warm und feucht über sein Gesicht.
    »Das hätten Sie nicht tun sollen, Harry. Sie hätten nicht mit dieser Hure reden dürfen. Die lügt doch, wenn sie den Mund aufmacht. Und ist zu allem fähig. Und, hat sie Ihnen ihre Fotze gezeigt? Hat sie, Harry?«
    Es knackte bedrohlich, als Krongli den Druck erhöhte. Ein gelbes und ein grünes Pferd ruckten ungeduldig vor Harrys Stirn und seinem Nasenrücken, als er den rechten Fuß anhob und zutrat. Hart. Er hörte Kronglis Schrei, wand sich aus seinem Griff, drehte sich um und schlug zu. Nicht mit der Faust, auf diese Weise hatte er sich schon genügend Knöchel ramponiert, sondern mit dem Ellenbogen. Er traf genau dort, wo die Wirkung, wie er gelernt hatte, am größten war, etwas seitlich am Kinn. Krongli torkelte rückwärts, fiel über einen der niedrigen Schwing sessel und landete mit nach oben gestreckten Beinen auf dem Boden. Harry registrierte, dass der Stoff von Kronglis rechtem Converse-Schuh nach der Begegnung mit dem Eisenbeschlag unter seinem Stiefel einen blutigen Riss hatte. Er musste diese Schuhe wirklich aus dem Verkehr ziehen. Ebenso registrierte er, dass seine Zigarette immer noch zwischen seinen Lippen hing. Und – aus dem Augenwinkel – dass das rote Pferd auf Bahn eins als Erstes durchs Ziel gehen würde.
    Harry bückte sich, packte Krongli am Kragen, zog ihn hoch und drückte ihn auf einen Stuhl. Zog an der Zigarette, in halierte und merkte, wie es in den Lungen brannte und ihn wärmte.
    »Mir ist schon klar, dass mein Vergewaltigungsvorwurf nicht viel hermacht«, sagte er, »da Charlotte Lolles oder Ihre Exfrau Sie nicht angezeigt haben. Umso mehr ist es meine Pflicht als Ermittler weiterzugraben, nicht wahr? Und damit komme ich zurück zur Håvasshütte.«
    »Verdammt, wovon reden Sie eigentlich?« Krongli klang, als hätte er sich eine akute, heftige Erkältung eingefangen.
    »Es geht um die Frau in Stavanger, der Elias Skog sich am Abend seiner Ermordung anvertraut hat. Im Bus hat er ihr erzählt, dass er in dieser Nacht in der Håvasshütte etwas gesehen hatte, was er im Nachhinein für eine mögliche Vergewaltigung hielt.«
    »Elias?«
    »Elias, ja. Er muss einen leichten Schlaf gehabt haben. In jener Nacht wurde er von Geräuschen vor dem Schlafzimmerfenster geweckt, stand auf und guckte nach draußen. Es war eine mondhelle Nacht, und er sah zwei Personen im Schatten unter dem Dachvorsprung des Klohäuschens stehen. Die Frau war ihm zugewandt, und der Mann stand so hinter ihr, dass Elias sein Gesicht nicht erkennen konnte. Elias dachte, dass die beiden sich auf einen Fick vorbereiteten. Die Frau sah aus, als würde sie einen Bauchtanz vollführen, und der Mann hielt ihr mit der Hand den Mund zu, wahrscheinlich, um niemanden zu wecken. Nachdem der Mann die Frau in das Klohäuschen gezerrt hatte, war Elias – etwas enttäuscht, die Live-Show nicht bis zu Ende sehen zu können – wieder schlafen gegangen. Erst nachdem er in der Zeitung von den Morden gelesen hatte, begann er, die Episode in einem anderen Licht zu sehen. Womöglich hatte die Frau sich so gewunden, um sich zu befreien. Und die Hand vor ihrem Mund sollte verhindern, dass sie um Hilfe rief.« Harry nahm einen neuen Zug. »Waren Sie das, Krongli? Waren Sie dort?«
    Krongli rieb sich das Kinn.
    »Alibi?«, fragte Harry.
    »Ich habe allein zu Hause geschlafen. Hat Elias Skog gesagt, wer die Frau war?«
    »Nein. Und das Gesicht des Mannes hat er, wie gesagt, auch nicht gesehen.«
    »Ich war das jedenfalls nicht. Und Sie leben gefährlich, Hole.«
    »Soll ich das als Drohung oder als Kompliment verstehen?«
    Krongli antwortete nicht. Aber in seinen Augen funkelte ein gelbes, kaltes Lachen.
    Harry drückte seine Zigarette aus

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