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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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der Schwingsessel saß, sowie der Verwalter der Läufe und Einsätze, ein Mann offensichtlich vietnamesischer Herkunft. Zumindest trug er eine Weste wie ein Croupier.
    Der breite Rücken im Schwingsessel füllte das Flanellhemd lässig aus. Schwarze Locken fielen über den Kragen.
    »Na, auf der Siegergeraden, Krongli?«, fragte Harry und setzte sich in den freien Sessel neben dem Polizisten.
    Der Lockenkopf drehte sich zur Seite. »Harry!«, rief er aufrichtig erfreut. »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Wieso sollte ich Sie suchen? Vielleicht bin ich ja Stammkunde hier.«
    Krongli lachte, den Blick auf die Pferde gerichtet, die mit einem Zinnjockey auf dem Rücken nach vorne ruckten. »Nix da. Ich komme jedes Mal hierher, wenn ich in Oslo bin, und hab Sie noch nie gesehen.«
    »Okay. Jemand hat mir verraten, dass ich Sie aller Wahrscheinlichkeit nach hier finden werde.«
    »Verdammt, ist mein Ruf jetzt ruiniert? Gehört sich wahrscheinlich nicht für einen Polizisten, hierherzukommen, auch wenn alles ganz legal zugeht.«
    »Apropos legal«, sagte Harry und schüttelte den Kopf, als der Croupier fragend auf den Zapfhahn zeigte. »Darüber wollte ich gerade mit Ihnen reden.«
    »Schießen Sie los«, sagte Krongli, während er konzentriert auf den Tisch starrte, auf dem das blaue Pferd in der äußeren Spur in Führung lag, doch die lange Kurve näherte sich.
    »Iska Peller, die Frau aus Australien, die Sie seinerzeit aus der Håvasshütte abgeholt haben, meint, Sie hätten ihre Freundin belästigt. Charlotte Lolles.«
    Harry sah nicht einmal die Andeutung einer Reaktion in Kronglis konzentriertem Gesicht. Er wartete. Schließlich hob Krongli den Kopf.
    »Erwarten Sie, dass ich etwas dazu sage?«
    »Nur, wenn Sie wollen«, sagte Harry.
    »Ich interpretiere das mal als ein Ja. ›Belästigt‹ ist wohl das falsche Wort. Wir haben geflirtet. Rumgeknutscht. Ich wollte mehr. Sie fand, dass es reichte. Worauf ich mich ein wenig in konstruktiver Überredungstaktik versucht habe. Die meisten Frauen erwarten das von einem Mann, das gehört nun mal zum Rollenspiel zwischen den Geschlechtern. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.«
    »Das deckt sich nicht ganz mit dem, was Charlotte Iska Peller erzählt hat. Behaupten Sie, dass Iska Peller lügt?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Charlotte ihrer Freundin eine etwas andere Version erzählt hat. Katholische Mädchen stellen sich gern züchtiger dar, als sie sind.«
    »Die beiden Frauen haben beschlossen, lieber in Geilo zu übernachten als bei Ihnen. Obgleich Peller noch immer krank war.«
    »Die Australien-Tussi hat drauf bestanden zu gehen. Ich hab keine Ahnung, was zwischen den beiden Mädels lief, Beziehungen zwischen Frauen können ganz schön kompliziert sein. Ich tippe übrigens, dass Peller keinen Kerl hat.« Er hob sein halbleeres Bierglas an. »Worauf wollen Sie hinaus, Harry?«
    »Es wundert mich ein bisschen, dass Sie Kaja Solness nichts von Ihrer Begegnung mit Charlotte Lolles erzählt haben, als sie in Ustaoset war.«
    »Und mich wundert es, dass Sie noch immer an diesem Fall arbeiten. Ich dachte, das wäre jetzt Sache des Kriminalamtes, erst recht jetzt, nach diesen Schlagzeilen.« Krongli konzentrierte sich wieder auf die Pferde. Am Ende der Kurve führte das gelbe Pferd auf der dritten Bahn mit einer Zinnpferdelänge.
    »So ist es«, sagte Harry. »Aber für Vergewaltigungen ist immer noch die Abteilung für Gewaltverbrechen zuständig.«
    »Vergewaltigung? Sind Sie schon wieder nüchtern, Harry?«
    »Hm.« Harry fischte die Zigaretten aus seiner Hosentasche. »Nüchterner, als Sie es jedenfalls waren, Krongli«, er steckte eine krumme Zigarette zwischen die Lippen, »wenn Sie Ihre Exfrau oben in Ustaoset verprügelt und vergewaltigt haben.«
    Krongli fuhr herum und stieß sein Glas mit dem Ellenbogen um. Das Bier wurde augenblicklich von dem Filz aufgesogen, und der feuchte Fleck breitete sich wie die Wehrmacht auf einer Europakarte aus.
    »Ich bin direkt von der Schule, in der sie arbeitet, hierhergefahren«, fuhr Harry fort und zündete die Zigarette an. »Von ihr habe ich auch den Tipp, hier nach Ihnen zu suchen. Sie hat mir auch erzählt, dass es eher eine Flucht als ein Auszug war, als sie damals aus Ustaoset weg ist. Dass Sie …«
    Weiter kam Harry nicht. Krongli war blitzschnell, schwang seinen Sessel mit dem Fuß herum und stürzte sich von hinten auf Harry, ehe der reagieren konnte. Harry fühlte den Klammergriff um sein

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