Leopard
und stand auf. »Ihre Exfrau hat mir übrigens nichts gezeigt. Wir haben uns im Lehrerzimmer getroffen. Weil sie Angst hat, allein mit einem Mann in einem Raum zu sein, denke ich mir. Da haben Sie doch wenigstens was erreicht, nicht wahr, Krongli?«
»Vergessen Sie nicht, sich öfter mal umzudrehen, Hole.«
Harry drehte sich um. Der Croupier schien völlig unberührt von dem Zwischenfall und hatte die Pferde bereits zu einem neuen Rennen an den Start gestellt.
»Sie setzen wollen?«, fragte er lächelnd in gebrochenem Norwegisch.
Harry schüttelte den Kopf. »Sorry, ich hab nichts zum Setzen.«
»Desto mehr Gewinn«, sagte der Croupier.
Harry dachte auf dem Weg nach draußen über diese Worte nach und kam zu dem Schluss, dass es sich entweder um ein sprachliches Missverständnis oder seine eigene, unzureichende Logik handelte. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein blödes asiatisches Sprichwort.
KAPITEL 50
Die Bestechung
M ikael Bellman wartete.
Dieser Moment war der beste. Die Sekunden, in denen er darauf wartete, dass sie die Tür öffnete. Gespannt, ob – und zugleich so sicher, dass – sie wieder alle seine Erwartungen übertreffen würde. Denn jedes Mal, wenn er sie sah, ging ihm auf, dass er völlig vergessen hatte, wie schön sie war. Jedes Mal, wenn die Tür sich öffnete, brauchte er ein paar Sekunden, bis er das Ausmaß ihrer Schönheit erfasst hatte. Bis die Bestätigung bei ihm ankam. Die Bestätigung, dass sie von all den Männern, die sie haben wollten – also praktisch jedem mit intaktem Sehvermögen und durchschnittlich heterosexuellen Neigungen –, ausgerechnet ihn gewählt hatte. Für ihn war das so etwas wie der Beweis, dass er noch immer das Leittier war, das Alphamännchen. Das ranghöchste Männchen mit dem Vorrecht, sich mit den Weibchen zu paaren. Ja, es war wirklich so banal und vulgär. Die Position des Alphamännchens konnte man sich nicht erarbeiten, man war für sie geboren oder eben nicht. Es war nicht unbedingt das einfachste und bequemste Los für einen Mann, aber war man berufen, konnte man sich nicht dagegen auflehnen.
Die Tür öffnete sich.
Sie trug den weißen Rollkragenpullover und hatte die Haare hochgesteckt. Ihr Blick war müde, und ihre Augen wirkten kleiner als sonst. Trotzdem besaß sie eine Eleganz und Klasse, von der seine eigene Frau nur träumen konnte. Sie sagte hallo, dass sie auf der Veranda säße, drehte ihm den Rücken zu und ging ins Haus. Er folgte ihr, nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich zu ihr in einen der lächerlich großen, schweren Holzstühle.
»Warum sitzt du hier draußen?«, schniefte er. »Du holst dir noch eine Lungenentzündung.«
»Oder Lungenkrebs«, sagte sie, nahm die halb gerauchte Zigarette vom Rand des Aschenbechers und hob das Buch auf, in dem sie gerade las. Er warf einen Blick auf den Umschlag. Ham on Rye . Charles … Er kniff die Augen zusammen. Bukowski? Wie das Auktionshaus?
»Ich habe gute Nachrichten«, sagte er. »Wir haben es geschafft, nicht nur eine kleine Katastrophe zu verhindern, sondern den Leike-Zwischenfall auch noch zu unserem Vorteil zu wenden. Das Justizministerium hat heute angerufen.« Bellman legte die Füße auf den Tisch und musterte das Flaschenetikett. »Um sich für mein resolutes Eingreifen zu bedanken, dass ich Leike freigelassen habe. Sie waren schwer in Panik, was Galtung und seine Anwälte sich alles ausdenken könnten, hätte das Kriminalamt nicht so schnell gehandelt. Und sie wollten eine persönliche Versicherung von mir, dass ich die Hände am Steuer habe und dass außerhalb des Kriminalamtes niemand querschlägt.«
Er setzte die Bierflasche an den Mund und trank, bevor er sie mit einem Knall zurück auf den Tisch stellte. »Was meinst du dazu, Bukowski?«
Sie nahm das Buch herunter und sah ihn an.
»Du könntest ruhig etwas mehr Interesse zeigen«, sagte er. »Was hältst du von der Sache, Liebes? Du bist Mordermittlerin.«
»Mikael …«
»Tony Leike ist gewalttätig, davon haben wir uns in die Irre leiten lassen. Schließlich wissen wir, dass Gewalttäter unverbesserlich sind. Die Fähigkeit und der Wille zum Töten sind nicht jedem vergönnt, das ist entweder angeboren oder angelernt. Aber wenn du erst einmal den Mörder in dir wachgerufen hast, ist es verdammt schwer, ihn wieder loszuwerden. Vielleicht weiß unser Mörder ja, dass wir das wissen, und hat uns Tony Leike serviert, damit wir alle im Chor aufjaulen: ›Hey, der Fall ist gelöst,
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