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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Alphamännchen.
    Sie hatte ihn auf das Opium angesprochen. Gefragt, ob er wirklich vorgehabt hatte, es gegen Hole zu verwenden, wenn er die Schuld für Leikes Festnahme nicht auf sich genommen hätte.
    »Selbstverständlich«, sagte Bellman und versuchte, ihr Gesicht zu erkennen, aber es war zu dunkel. »Wieso sollte ich das nicht. Er hat Drogen geschmuggelt.«
    »Ich denke dabei weniger an ihn. Ich frage mich nur, ob du wirklich die gesamte Polizei in Verruf bringen willst.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir können uns aus Rücksicht darauf nicht bestechen lassen.«
    Ihr Lachen schallte trocken durch die fast greifbare Kälte des Abends. »Aber ihn hast du bestochen, ohne mit der Wimper zu zucken.«
    »Weil er bestechlich ist«, sagte Bellman und leerte den Rest der Bierflasche mit einem Schluck. »Das ist der Unterschied zwischen ihm und mir. Sag mal, Kaja, versuchst du mir eigentlich etwas Bestimmtes zu sagen?«
    Sie machte den Mund auf. Wollte es sagen. Musste es sagen. Aber in diesem Augenblick klingelte sein Telefon. Sie sah ihn in die Tasche greifen und tun, was er in diesem Fall immer tat: Er formte die Lippen zu einem Kussmund. Was nicht als Kuss zu verstehen war, sondern als Aufforderung, die Klappe zu halten. Für den Fall, dass es seine Frau war, sein Chef oder sonst je mand, der nicht wissen durfte, dass er eine Kollegin aus dem Dezernat für Gewaltverbrechen vögelte, die ihm alle nötigen Informa tionen gab, mit denen er die konkurrierende Einheit für Mordermittlung ausschalten konnte. Der Teufel hole Mikael Bellman. Der Teufel hole Kaja Solness. Und vor allen Dingen, der Teufel hole …
    »Er ist weg«, sagte Mikael Bellman und steckte das Telefon zurück in die Tasche.
    »Wer?«
    »Tony Leike.«

TEIL V I

KAPITEL 5 1
     
    Brief
     
    H allo, Tony,
    du fragst dich schon lange, wer ich sein könnte, und es ist deshalb wohl an der Zeit, dass ich mich zu erkennen gebe. Ich war in dieser Nacht in der Håvasshütte, aber du hast mich nicht gesehen. Niemand hat mich gesehen, ich war unsichtbar wie ein Geist. Aber du kennst mich. Kennst mich besser, als dir lieb ist. Und jetzt komme ich, um dich zu holen. Nur du könntest mich noch stoppen. Alle anderen sind tot. Jetzt gibt es nur noch dich und mich, Tony. Schlägt dein Herz ein bisschen schneller? Greift deine Hand nach dem Messer? Stichst du blind ins Dunkel, schwindelig vor Angst, weil dir dein Leben genommen werden soll?

KAPITEL 52
     
    Besuch
     
    E r schrak aus dem Schlaf hoch. Irgendetwas hatte ihn geweckt. Ein Laut. Aber hier draußen gab es keine fremden Laute, keine, die er nicht kannte und von denen er wach wurde. Er stand auf, stellte die Fußsohlen auf den kalten Boden und blickte durch das Fenster. Seine Landschaft. Es gab Leute, die sie als Einöde bezeichneten, was immer das heißen mochte. Denn öde war es hier nie, es gab immer irgendetwas. Wie jetzt. Ein Tier? Oder war er das? Der Geist? Auf jeden Fall war da draußen etwas, so viel war sicher. Er blickte zur Tür. Sie war von innen mit Schloss und Riegel gesichert. Die Flinte stand draußen im Vorratshaus. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, obwohl er das dicke, rote Flanellhemd trug, das er nicht einmal nachts auszog. Es war leer im Raum. So leer wie dort draußen. Wie in der ganzen Welt. Aber nicht öde. Es gab noch sie beide, sie beide waren noch übrig.
     
    Harry träumte. Von einem Fahrstuhl mit Zähnen, einer Frau mit einem Cocktailstäbchen zwischen cochenilleroten Lippen, einem Clown, der seinen eigenen, lachenden Kopf unter dem Arm trug, einer weißen Braut mit einem Schneemann vorm Altar, einem Stern im Staub eines Fernsehbildschirms, einem einarmigen jungen Mädchen auf einem Sprungbrett in Bangkok, dem süßlichen Duft von Urinsteinen, den Umrissen eines menschlichen Körpers, der sich unter dem blauen Plastik eines Wasserbetts abzeichnete, einem Kompressorbohrer und von Blut, das ihm warm und todbringend ins Gesicht spritzte. Der Alkohol hatte sonst immer wie Kreuz, Knoblauch und Weihwasser die Gespenster vertrieben, doch in dieser Vollmondnacht war Jungfrauenblut geflossen, und sie waren aus den dunkelsten Winkeln und tiefsten Gräbern hervorgekrochen und stießen ihn tanzend immer wilder zwischen sich hin und her, angetrieben von dem rhythmischen, vor Todesangst immer schnelleren Klopfen seines Herzens und dem Feueralarm, der unaufhörlich durch die Hölle schrillte. Plötzlich war es still. Vollkommen still. Es war wieder da. Füllte wieder seinen Mund. Er

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