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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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dass ich …«, das Weinen zerrte an ihren Stimmbändern, » … das ist doch nicht … normal!«
    Tony lachte kurz. »Sie hatte nichts dagegen, Lene. Und Juliana auch nicht, obwohl sie sich auch immer gut bezahlen ließ.«
    »Juliana? Von wem redest du denn jetzt? Tony? Tony?« Lene tastete wie eine Blinde mit den Händen vor sich herum.
    »Eine deutsche Hure aus Leipzig, die ich regelmäßig getroffen habe. Sie tut alles für Geld. Tat.«
    Lene spürte die Tränen auf ihren Wangen. Die erschreckende Ruhe in seiner Stimme ließ alles so unwirklich erscheinen.
    »Sag … sag, dass das nicht wahr ist, Tony. Bitte, bitte hör damit auf!«
    »Psst. Dann habe ich wieder einen Brief bekommen. Mit einem Foto. Du kannst dir vorstellen, was für ein Schock das war, als ich sah, dass es ein Bild von Adele in meinem Auto war, mit dem Messer im Hals. Der Brief war von einer Borgny Stem-Myhre unterschrieben. Sie forderte Geld und drohte damit, mich anzuzeigen, sollte ich mich weigern. Mir war gleich klar, dass auch sie aus dem Weg geräumt werden musste. Aber auch, dass ich ein Alibi für den Zeitpunkt des Todes brauchte, falls es der Polizei gelang, mich mit Borgny und dem Erpressungsver such in Verbindung zu bringen. Eigentlich hatte ich geplant, Adeles Postkarte bei meinem nächsten Aufenthalt in Afrika einzustecken, doch dann kam mir eine noch bessere Idee. Ich nahm Kontakt mit Juliana auf und schickte sie nach Goma. Sie reiste in Adeles Namen, schickte die Postkarte aus Kigali ab, fuhr zu van Boorst und besorgte dort den Apfel, den ich Borgny servieren wollte. Als Juliana zurückkam, trafen wir uns in Leipzig. Wo sie als Erste den Apfel zu schmecken bekam.« Tony lachte kurz. »Die Ärmste hielt das für ein neues Sex-Spielzeug.«
    »Du … du hast auch sie getötet?«
    »Ja, und dann Borgny. Ich bin ihr nachgegangen. Sie wollte gerade die Tür zu dem Haus aufschließen, in dem sie wohnte, als ich mit dem Messer zu ihr ging. Ich habe sie mit in einen Keller genommen, in dem ich alles vorbereitet hatte. Vorhängeschloss und Apfel. Ich habe ihr Ketanomin in den Hals gespritzt und bin nach Skien zu dem Investorentreffen gefahren, wo all meine Zeugen warteten. Mein Alibi. Mir war klar, dass Borgny den Job mit dem Apfel allein besorgen würde, während ich den anderen mit Weißwein zuprostete. Am Ende machen sie es alle. Dann fuhr ich zurück, ging in den Keller, entfernte das Vorhängeschloss, mit dem ich Borgny eingeschlossen hatte, nahm ihr den Apfel aus dem Mund und fuhr nach Hause. Zu dir. Wir haben miteinander geschlafen. Du hast so getan, als hättest du einen Höhepunkt. Erinnerst du dich?«
    Lene schüttelte den Kopf, außerstande, etwas zu sagen.
    »Ich habe gesagt, du sollst die Augen schließen.«
    Sie spürte seine Finger über ihre Stirn und Augenlider streichen, wie ein Bestatter. Hörte seine Stimme mechanisch wie zu sich selbst reden:
    »Es hat ihm Spaß gemacht, mich zu schlagen. Inzwischen verstehe ich ihn. Dieses Gefühl der Macht, das aufkommt, wenn man jemandem Schmerzen zufügt, wenn man sieht, wie ein anderer sich fügt, deinen Willen geschehen lässt, wie im Himmel, so auf Erden.«
    Sie erkannte den Geruch, der von ihm ausströmte, den Geruch nach Sex, dem Geschlecht einer Frau. Dann war seine Stimme wieder da, ganz dicht an ihrem Ohr: »Die Morde machten et was mit mir. Als würde das Blut einen Samen zum Keimen bringen, der die ganze Zeit in mir gesteckt hatte. Ich begann zu verstehen, was ich seinerzeit im Blick meines Vaters gesehen hatte. Wiedererkennen. Denn so, wie er sich in mir erkannt hatte, begann ich jetzt, ihn in mir zu sehen, wenn ich in den Spiegel blickte. Die Macht gefiel mir. Und die Ohnmacht. Ich liebte das Spiel, das Risiko, den Abgrund und den höchsten Gipfel in einem. Denn wenn du auf einem Berg stehst, den Kopf in den Wolken, und den Chor der Engel hörst, musst du auch das Fegefeuer unter dir fauchen hören, sonst hat das alles keine Bedeutung. Mein Vater wusste das. Und ich weiß das jetzt auch.«
    Lene sah rote Flecken hinter ihren geschlossenen Lidern vorbeitanzen.
    »Erst ein paar Jahre später war mir klargeworden, wie sehr ich ihn hasste. Da stand ich mit einem Mädchen am Waldrand vor einer Disco. Ein Junge stürzte sich auf mich. Ich erkannte die Eifersucht in seinen Augen und sah meinen Vater mit dem Spaten auf mich und Mutter losgehen. Ich habe dem Jungen die Zunge aus dem Mund geschnitten. Sie haben mich festgenommen, und ich wurde verurteilt. Da habe ich erfahren, was

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