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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Kopf perforierte. Das Gleiche würde geschehen, wenn er sich selbst zu sehr bewegte.
    Harry schob Daumen und Zeigefinger in die Mundwinkel und tastete nach den Noppen. Versuchte vergeblich, einen Finger unter eine von ihnen zu bekommen. Er musste husten, und ihm wurde schwarz vor Augen, als er keine Luft bekam. Durch den Druck der Noppen waren die Schleimhäute an seiner Luftröhre angeschwollen, so dass er Gefahr lief zu ersticken. Die Schnur zur Türklinke. Der abgetrennte Finger. War das ein Zufall, oder kannte Tony Leike den Schneemann? Wollte er ihn noch übertreffen?
    Harry trat gegen die Wand und spannte seine Stimmbänder, aber die Metallkugel erstickte sein Schreien. Er gab auf. Lehnte sich seitlich an die Wand, rüstete sich gegen die Schmerzen und presste den Mund zusammen. Irgendwo hatte er gelesen, dass der Biss eines Menschen nur wenig schwächer war als der eines weißen Hais. Trotzdem gelang es den Kiefermuskeln nur für einen kurzen Moment und nicht wirklich effektiv, die Noppen zurück in die Kugel zu zwingen, bevor die seine Kiefer wieder aufspannten. Das Blut pulsierte so heftig in seinem Mund, dass sich die Kugel wie ein lebendiges Herz aus Eisen anfühlte. Er tastete nach dem Draht, der aus seinem Mund hing. All seine Instinkte schrien danach, an dem Draht zu ziehen und die verdammte Kugel aus seinem Mund zu reißen. Aber er hatte demonstriert bekommen, was geschehen würde, und erinnerte sich noch gut an die Tatortfotos. Wäre dem nicht so …
    Im selben Augenblick wurde Harry alles klar. Plötzlich wusste er nicht nur, wie er sterben würde, sondern auch, wie die anderen gestorben waren. Und warum auf diese Weise. Er spürte den absurden Drang zu lachen. Es war teuflisch einfach. So teuflisch einfach, dass nur der Teufel selbst dahinterstecken konnte.
    Tony Leikes Alibi. Er hatte keinen Helfer gehabt. Das heißt, seine Opfer hatten ihm selbst geholfen. Als Borgny und Charlotte allein aufwachten, nachdem sie betäubt worden waren, wussten sie ja nicht, was sich in ihrem Mund befand. Borgny war in einem Keller eingesperrt gewesen. Charlotte hatte sogar im Freien gelegen, aber der Draht ihrer Kugel war in dem geschlossenen Kofferraum des Autowracks vor ihr verschwunden, und sosehr sie auch versucht hatte, die Klappe zu öffnen, sie war verschlossen geblieben. Keine von beiden hatte eine Chance gehabt, sich zu befreien, und als ihre Schmerzen unerträglich wurden, hatten sie das Vorhersagbare getan und an der Schnur gezogen. Hatten sie geahnt, was geschehen würde? Hatten die Schmerzen die Zweifel und die bösen Vorahnungen in Hoffnung verwandelt? Hoffnung, dass die Noppen wieder in diese geheimnisvolle Kugel zurückgleiten würden?
    Während die Frauen langsam, aber sicher, hin und her gerissen zwischen Verzweiflung und Hoffnung, zu der unausweichlichen Handlung getrieben wurden, hatte Tony Leike viele Kilometer zurückgelegt, um mit Kunden zu Abend zu essen oder einen Vortrag zu halten. In der sicheren Gewissheit, dass seine Opfer den Rest der Tat selber erledigten und ihm dadurch zu dem bestmöglichen Alibi für den Tatzeitpunkt verhalfen. Strenggenommen hatte er sie nicht einmal ermordet.
    Harry bewegte den Kopf vorsichtig hin und her, um auszutesten, welchen Aktionsradius er hatte, ohne die Schnur zu straffen.
    Er musste etwas tun. Irgendetwas. Er stöhnte, glaubte Spannung auf der Schnur wahrzunehmen, hielt die Luft an und starrte zur Tür. Wartete darauf, dass sie sich öffnete, dass …
    Nichts geschah.
    Er versuchte sich an van Boorsts Demonstration zu erinnern, daran, wie weit die Noppen ohne Widerstand aus dem Apfel herausgeragt hatten. Wenn er den Mund doch nur weiter öffnen könnte, wenn die Kiefer …
    Harry schloss die Augen. Was ihn am meisten überraschte, war, wie seltsam logisch und einleuchtend der Einfall auf ihn wirkte, wie wenig Widerstand sich in ihm meldete. Im Gegenteil, er empfand Erleichterung. Erleichterung darüber, sich selbst noch mehr Schmerzen zuzufügen und, wenn nötig, das eigene Leben auszulöschen, im Versuch zu überleben. Es war so logisch und einfach, dass die schwarze Finsternis schlagartig von der einleuchtenden, klaren, wahnsinnigen Idee vertrieben wurde. Harry drehte sich auf den Bauch, den Kopf dicht an dem U-förmigen Nagel, so dass die Schnur etwas durchhing. Dann kniete er sich vorsichtig hin. Tastete seinen Kiefer ab. Fand den Punkt. Den Punkt, an dem alles zusammenlief: der Schmerz, das Kiefergelenk, der Knoten aus Nerven und Muskeln, der den

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