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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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zwischen sich und dem Wagen zu haben, in dem Lene Galtung saß.
    »Wohin wollen die alle?«, fragte Kaja.
    Der Fahrer schüttelte lächelnd den Kopf, um ihr zu zeigen, dass er sie nicht verstand. Kaja wiederholte die Frage auf Französisch, ohne eine Antwort zu erhalten. Zum Schluss zeigte sie einfach nur fragend auf all die Menschen, an denen ihr Auto vorbeischlich.
    »Re-fu-gee« , sagte der Fahrer. »Go away. Bad people coming.«
    Kaja nickte.
    Dann schickte sie noch eine SMS an Harry und versuchte, ihre aufkommende Panik zu ersticken.
    Im Zentrum von Goma teilte sich die Hauptstraße. Der Range Rover bog nach links ab. Etwas weiter fuhr er erneut nach links und rollte nach unten in Richtung See. Sie waren jetzt in einem gänzlich anderen Stadtteil mit großen Villen hinter hohen Zäunen, umgeben von gepflegten Gärten mit schattenspendenden Bäumen, die den Einblick verwehrten.
    » Old«, sagte der Fahrer. »The Bel-gium. Co-lo-nists.«
    In dem Villenviertel war kaum Verkehr, und Kaja signalisierte, dass sie noch mehr Abstand halten sollten, auch wenn sie bezweifelte, dass Lene Galtung geübt darin war, etwaige Verfolger zu erkennen. Als der Range Rover hundert Meter vor ihnen stoppte, forderte Kaja den Fahrer auf, ebenfalls anzuhalten.
    Ein Eisentor wurde von einem Mann in grauer Uniform geöffnet, das Auto fuhr hinein, und das Tor wurde wieder geschlossen.
     
    Lene Galtungs Herz klopfte. So klopfte es, seit sie den Anruf bekommen und seine Stimme gehört hatte. Er hatte gesagt, dass er in Afrika war. Und dass sie kommen sollte. Dass er sie brauchte und nur sie ihm helfen konnte, sein lukratives Projekt zu retten, das nun auch ihr Projekt sei. Damit er Arbeit hatte. Männer brauchten Arbeit und eine Zukunft. Ein sicheres Leben in einem Umfeld, in dem auch Kinder aufwachsen konnten.
    Der Fahrer öffnete ihr die Tür, und Lene Galtung stieg aus. Die Sonne brannte längst nicht so stark, wie sie befürchtet hatte. Vor ihr lag eine prachtvolle Villa. Alt und sorgsam gebaut. Stein auf Stein. Für altes Geld. Wie sie selbst bauen würden.
    Bei ihrer ersten Begegnung hatte Tony sich sehr für ihre Ahnenreihe interessiert. Die Familie Galtung gehörte zum nor wegischen Adel, dessen Titel echt und nicht importiert war, wie bei den meisten anderen, eine Tatsache, die Tony immer wieder betonte. Vielleicht hatte sie es deshalb immer wieder aufgeschoben, ihm zu erzählen, dass sie wie er von gewöhnlicher, bescheidener Herkunft war, ein grauer Kiesel unter Kieseln, ein Emporkömmling.
    Doch jetzt würden sie ihren eigenen Adel gründen, den Kies zum Leuchten bringen. Bauen.
    Der Fahrer ging vor ihr die Steintreppe hoch zu der Tür, die von einem bewaffneten Mann in Tarnuniform geöffnet wurde. Ein gediegener Kronleuchter hing an der Decke der Halle, in die sie eintraten. Lenes Hand klammerte sich verschwitzt um den Griff des Metallkoffers mit dem Geld. Ihr Herz schien ihren Brustkorb sprengen zu wollen. Lagen ihre Haare richtig? Sah man ihr den Schlafmangel und die lange Reise an? Über die breite Treppe kam jemand aus dem ersten Stock nach unten. Nein, es war nicht Tony, sondern eine schwarze Frau, sicher eine der Bediensteten. Lene warf ihr ein freundliches, aber nicht übertrieben entgegenkommendes Lächeln zu. Sah einen Goldzahn aufblitzen, als die Frau sie ungeniert, ja, fast frech angrinste und hinter ihr durch die Eingangstür verschwand.
    Da war er.
    Er stand am Geländer der ersten Etage und sah zu ihr nach unten.
    Er war groß, dunkel und trug einen Morgenmantel aus Seide. Sie sah die schöne, breite Narbe weiß in seiner Brusthaut leuchten. Er lächelte. Ihr Atem ging schneller. Das Lächeln erhellte sein Gesicht, ihr Herz, die ganze Halle, mehr als jeder Kronleuchter es vermochte. Er schritt die Treppe herunter.
    Sie stellte den Koffer ab und stürmte ihm entgegen. Er öffnete seine Arme und nahm sie in Empfang. Endlich war sie bei ihm. Sie roch seinen Duft, stärker als sonst. Vermischt mit einem anderen, würzigen, noch stärkeren Geruch. Der musste von dem eleganten Morgenmantel kommen, der, wie sie jetzt erst sah, ein bisschen zu klein und sicher nicht neu war. Erst als er sich aus ihrer Umarmung befreite, realisierte sie, dass sie sich an ihn geklammert hatte, und ließ ihn los.
    »Liebste, du weinst ja«, sagte er lachend und streichelte ihr über die Wange.
    »Tue ich das?«, lachte sie, trocknete sich die Tränen und hoffte, dass die Schminke nicht verwischte.
    »Ich habe eine Überraschung für dich«,

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